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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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worden war, weil es die Götter verlassen hatte, aber trotz der einleuchtenden Wahrscheinlichkeit der Auslegung fand diese keinerlei breitere Unterstützung; die höhere Zivilisation der Besiegten gewann die Eroberer, und die Sieger nahmen den christlichen Glauben an. So lebte durch das Medium der Kirche der Einfluss Roms auf die Barbaren weiter, von denen es keinem vor Hitler gelang, die Überlieferung alter Kultur abzuwerfen.
     

FÜNFTES KAPITEL
KÖNIGLICHE MACHT
    D ie Könige sind wie die Priester in prähistorischer Zeit entstanden, und auf die frühen Stadien in der Entwicklung des Königtums kann nur von dem geschlossen werden, was noch unter den rückständigsten Wilden existiert. Wenn die Einrichtung völlig entwickelt, aber noch nicht auf dem Abstieg befindlich ist, so ist der König ein Mann, der seinen Stamm oder seine Nation im Kriege anführt und der über Krieg und Frieden entscheidet; oft, wenn auch nicht immer, arbeitet er die Gesetze aus und kontrolliert die Justizverwaltung. Sein Anspruch auf den Thron ist gewöhnlich mehr oder weniger erblich begründet. Er ist außerdem eine geheiligte Person: Sofern er nicht selber ein Gott ist, so ist er zumindest vom Herrn eingesetzt.
    Aber ein Königtum dieser Art setzt eine lange Entwicklung der Regierung und eine viel höher organisierte Gemeinschaft als die von Wilden voraus. Selbst der Häuptling, wie die meisten Europäer ihn sich vorstellen, kann in der wirklich primitiven Gesellschaft nicht gefunden werden. Der Mann, den wir als Häuptling betrachten, mag lediglich Funktionen religiöser und zeremonieller Art zu erfüllen haben; manchmal wird von ihm, wie vom Lord-Mayor, einfach erwartet, dass er Bankette veranstaltet. Zuweilen erklärt er Krieg, nimmt jedoch nicht am Kampfe teil, da er zu geheiligt ist. Manchmal ist sein »Mana« solcher Art, dass kein Untertan ihn anblicken darf; dies bewahrt ihn nachdrücklich davor, an öffentlichen Angelegenheiten zuviel Anteil zu nehmen. Er kann keine Gesetze erlassen, da sie aus Gewohnheit und Brauch hervorgehen; er wird für ihre Aufrechterhaltung nicht benötigt, da in einer kleinen Gemeinschaft die Strafe von Nachbarn auf spontanem Wege vollzogen werden kann. Manche wilde Gemeinschaften haben zwei Häuptlinge, einen weltlicher und einen religiöser Art, wie den Schogun und den Mikado im alten Japan – jedoch nicht dem Kaiser und dem Papst vergleichbar, da das religiöse Oberhaupt im allgemeinen nur zeremonielle Macht besitzt. Unter primitiven Wilden ist durchwegs so viel durch Brauch und so wenig durch formelle Regierung bestimmt, dass die hervorragenden Männer, die die Europäer Häuptlinge nennen, gerade im Anfangsstadium königlicher Macht befindlich sind. (8)
    Wanderung und ausländische Invasion haben eine machtvoll zerstörende Wirkung auf den Brauch und schaffen daher die Notwendigkeit für eine Regierung. Auf dem niedersten Stand der Zivilisation, auf dem es Herrscher gibt, die man Könige nennen darf, ist die königliche Familie manchmal fremden Ursprungs und hat eigentliche Achtung durch den Beweis einer unbestreitbaren Überlegenheit erworben. Aber ob das ein gewöhnlicher oder ungewöhnlicher Zustand in der Entwicklung der Monarchie ist, ist eine Streitfrage unter Anthropologen.
    Es ist klar, dass Krieg eine große Rolle beim Machtzuwachs der Könige gespielt haben muss, da im Krieg die Notwendigkeit eines einheitlichen Kommandos offenbar ist. Der leichteste Weg, das Übel umstrittener Nachfolge zu vermeiden, ist, die Monarchie erblich zu gestalten; selbst wenn der König die Macht hat, seinen Nachfolger zu ernennen, wird er mit ziemlicher Gewissheit jemanden aus seiner Familie wählen. Aber Dynastien dauern nicht ewig, und jede königliche Familie beginnt mit einem Usurpator oder einem ausländischen Eroberer. Gewöhnlich legitimiert die Religion die neue Familie durch irgendeine traditionelle Zeremonie. Priesterliche Gewalt hat bei solchen Gelegenheiten ihren Vorteil, da sie eine wesentliche Hilfe für die
    königliche Geltung darstellt. »Kein Bischof, kein König«, sagte Karl I., und diese Maxime hat ihre Richtigkeit für alle Zeiten, in denen es Könige gab. Die Stellung eines Königs wird ehrgeizigen Leuten so erstrebenswert erscheinen, dass nur machtvolle religiöse Sanktionen sie zum Verzicht auf die Hoffnung bringen werden, diese Stellung selbst zu erwerben. Wie immer auch die Stadien beschaffen sein mochten, über welche sich der primitive Häuptling zum historischen König

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