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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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hundertjährigen Krieg und dem Krieg der Rosen die Bürger gezwungen, ihre Hoffnung auf einen starken König zu setzen. Eduard IV. siegte mit Hilfe der Stadt London, in der er sich sogar seine Königin wählte. Ludwig XI., Feind der feudalen Aristokratie, war dem Großbürgertum freundlich gesinnt. Es unterstützte ihn gegen den Adel, während er den Bürgern gegen die Handwerker beistand. »Er herrschte wie ein Großkapitalist«, lautet das offizielle Urteil der Encyclopaedia Britannica.
    Die Monarchien der Renaissance hatten einen großen Vorteil im Vergleich mit den früheren Königen in ihren Konflikten mit der Kirche. Bildung war nämlich nicht mehr das Monopol der Geistlichen. Die Hilfe von Laienanwälten bei der Errichtung der neuen Monarchie war von unschätzbarem Wert.
    Die neuen Monarchien in England, Frankreich und Spanien standen über der Kirche und über der Aristokratie. Ihre Macht stützte sich auf zwei anwachsende Kräfte, Nationalismus und Handel: Solange sie diesen beiden nützlich zu sein schienen, waren sie stark, aber sobald sie in dieser Beziehung versagten, kam es zur Revolution. Hier ließen sich die Tudors keine Fehler zuschulden kommen, die Stuarts jedoch hemmten den Handel durch Monopole, die Hofleuten gewährt wurden, und ließen England zuerst zu einem Anhängsel Spaniens, später Frankreichs werden. Die französische Monarchie begünstigte den Handel und steigerte die nationale Macht bis zu Ende des Colbertschen Regimes. Nach dieser Zeit brachten die Aufhebung des Ediktes von Nantes, eine Reihe immer zerstörenderer Kriege, erdrückende Steuern und die Befreiung der Geistlichen und Adligen von finanziellen Lasten Handel und Nationalismus gegen den König auf und führten schließlich zum Umsturz. Spanien war durch die Eroberung der Neuen Welt gebunden; aber die spanische neue Welt rebellierte, wenn sie rebellierte, hauptsächlich, um mit England und den Vereinigten Staaten Handel treiben zu können.
    Obwohl der Handel Könige segen die feudale Anarchie unterstützte, erwies er sich immer als republikanisch, wenn er sich genügend stark fühlte. So war es im Altertum, in den norditalienischen und Hansestädten des Mittelalters und in Holland auf dem Gipfel seiner Macht. Das Bündnis zwischen Königen und Gewerbe war daher ein unsicheres. Könige riefen das »göttliche Recht« an und versuchten, ihre Macht so weit wie möglich traditionell und quasi-religiös zu gestalten. Darin hatten sie teilweise Erfolg: Die Hinrichtung Karls I. wurde als gottlos empfunden und nicht einfach als gewöhnliches Verbrechen. In Frankreich machte man den Heiligen Ludwig zu einer legendären Persönlichkeit, von deren Frömmigkeit etwas wie ein Mantel selbst bis zu Ludwig XV. hinabreicht – dieser war immer noch der »allerchristlichste König«. Wenn sie eine neue höfische Aristokratie geschaffen hatten, neigten die Könige dazu, diese dem Bürgertum vorzuziehen. In England vereinigten sich hohe Aristokratie und Bürgertum und setzten einen König mit lediglich parlamentarischen Vollmachten ein. Er besaß nicht mehr die alten magischen Fähigkeiten der Majestät: Georg I. konnte zum Beispiel nicht die königliche Krankheit heilen, während Königin Anna es vermochte. In Frankreich gewann der König die Gunst der Aristokratie, und ihre Häupter fielen gemeinsam unter der Guillotine.
    Das Bündnis von Handel und Nationalismus, das mit der lombardischen Liga zur Zeit Friedrich Barbarossas begann, breitete sich über Europa aus und erzielte seinen letzten und kürzesten Triumph in der russischen Februarrevolution. Wo immer es Bedeutung erhielt, kehrte es sich gegen erbliche, auf Grund und Boden begründete Macht, zuerst mit der Monarchie zusammen, schließlich in Opposition zu ihr. Zuletzt verschwanden die Könige überall oder wurden auf Symbole reduziert. Jetzt erst haben Nationalismus und Handel sich getrennt; in Italien, Deutschland und Russland hat der Nationalismus triumphiert. Die liberale Bewegung, die im zwölften Jahrhundert in Mailand entstand, hat seinen Weg beendet.
    Traditionelle Macht durchläuft fast immer, wenn sie nicht von außen her zerstört wird, eine gewisse Entwicklung. Durch die Achtung, die sie einflößt, kühn geworden, bemüht sie sich nicht mehr um die allgemeine Billigung, die sie nicht mehr verlieren zu können glaubt. Durch Untätigkeit, Übermut oder Grausamkeit zwingt sie allmählich die Menschen, gegenüber ihrem Anspruch auf göttliche Autorität skeptisch zu werden. Da

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