Macht (German Edition)
wie der Klassenkrieg gegenwärtig nationalistische Erwägungen dominieren kann. Ich glaube allerdings nicht, dass der Lauf der Ereignisse diesen Standpunkt bestätigen wird. Deutschland und Italien hatten nationalistische Gründe, um Franco zu helfen; England und Frankreich hatten nationalistische Gründe, um ihm entgegenzutreten. Es stimmt, dass die britische Opposition gegen Franco im Ganzen viel geringer gewesen ist, als sie gewesen sein würde, wenn allein britische Interessen die Aktion unserer Regierung bestimmt hätten, weil die Konservativen natürlicherweise mit ihm sympathisieren. Nichtsdestoweniger fegen britische Interessen politische Sympathien beiseite, sobald solche Dinge wie marokkanisches Erz oder Kontrolle des Mittelmeers im Spiele sind. Die Gruppierung der Großmächte war wieder wie vor dem Jahre 1914, trotz der russischen Revolution. Den Liberalen missfiel der Zar, und den Konservativen missfällt Stalin; aber weder Sir E. Grey noch die konservative Regierung konnten sich durch solche Geschmacksfragen bei der Verfolgung britischer Interessen stören lassen.
Fassen wir zusammen, was wir in diesem Kapitel gesagt haben: Die wirtschaftliche Macht einer militärischen Einheit (die aus verschiedenen unabhängigen Staaten zusammengesetzt sein kann) ist von folgenden Umständen abhängig: 1. von ihrer Fähigkeit, das eigene Territorium zu verteidigen, 2. von ihrer Fähigkeit, das Gebiet der anderen zu bedrohen, 3. von ihrem Besitz an Rohstoffen, Nahrungsmitteln und industrieller Qualifikation, 4. von ihrer Kapazität, Waren und Hilfsmittel zu liefern, die andere militärische Einheiten brauchen. Bei alledem sind militärische und wirtschaftliche Faktoren unentwirrbar ineinander gemengt; zum Beispiel hat Japan auf rein militärischem Wege in China Rohstoffe an sich gebracht, die wesentlich für die Errichtung einer großen Militärmacht sind, und auf die gleiche Weise haben England und Frankreich im Nahen Osten Öl erworben. Beides aber wäre unmöglich gewesen ohne einen beträchtlichen Grad an vorhergegangener industrieller Entwicklung. Die Bedeutung des wirtschaftlichen Faktors im Kriege vergrößert sich, je mechanisierter und wissenschaftlicher der Krieg wird, aber man kann nicht mit Sicherheit annehmen, dass die Gruppe, die über überlegene wirtschaftliche Hilfsquellen verfügt, notwendigerweise den Sieg davontragen wird. Die Bedeutung der Propaganda zur Erweckung des Nationalgefühls hat sich in gleichem Maße erhöht wie die der wirtschaftlichen Faktoren.
In den internen wirtschaftlichen Beziehungen eines einzelnen Staates begrenzt das Gesetz die Möglichkeiten für das Herausholen von Reichtum aus anderen. Ein Individuum oder eine Gruppe müssen ein völliges oder teilweises Monopol an etwas besitzen, das von anderen erstrebt wird. Monopole können durch das Gesetz geschaffen werden, zum Beispiel Patente, Nachdruckrechte und Grundbesitz. Sie können auch durch Verbindung geschaffen werden, wie im Fall der Trusts und der Gewerkschaften. Abgesehen von dem, was Individuen oder Gruppen durch Verhandlung erzielen können, behält sich der Staat das Recht vor, mit Gewalt zu nehmen, was er für notwendig hält. Und Einflussreiche private Gruppen können den Staat dazu bringen, von diesem Recht wie auch von der Macht der Kriegführung in einer Weise Gebrauch zu machen, die für sie selbst, wenn auch nicht notwendigerweise für die ganze Nation, von Vorteil ist. Sie können auch das Gesetz so handhaben, wie es ihnen passt, zum Beispiel indem sie Vereinigungen von Unternehmern, aber nicht von Lohnempfängern zulassen. So hängt der wirkliche Grad wirtschaftlicher Macht, die ein Individuum oder eine Gruppe besitzt, ebenso von militärischer Stärke und propagandistischem Einfluss wie von jenen Faktoren ab, die man gewöhnlich in der Volkswirtschaftslehre antrifft. Wirtschaftslehre als getrennte Wissenschaft ist unrealistisch und führt, wenn sie in der Praxis als Anleitung genommen wird, in die Irre. Sie bildet ein Element – allerdings ein sehr bedeutendes Element – eines umfassenderen Komplexes, der Wissenschaft von der Macht.
NEUNTES KAPITEL
MACHT ÜBER DIE MEINUNG
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E s ist leicht, einen Fall zur Begründung der Ansicht zu finden, dass die Meinung allmächtig ist und alle anderen Formen der Macht sich von ihr ableiten. Heere sind nutzlos, wenn die Soldaten nicht an die Sache glauben, für die sie kämpfen, oder, im Falle von Söldnern, kein Zutrauen zur
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