Macht (German Edition)
schrieb er: »Man sagt mir, dass Sie Diktator werden wollen. Der Weg dazu führt über den Sieg. Lassen Sie sich den Sieg angelegen sein, und ich will die Gefahr der Diktatur auf mich nehmen.« Er konnte ruhig so handeln, weil keine amerikanische Armee einem General beim Angriff auf die Regierung gefolgt wäre. Im siebzehnten Jahrhundert waren Cromwells Soldaten durchaus willens, ihm bei der Auflösung des »langen« Parlaments zu helfen; im neunzehnten Jahrhundert hätte der Herzog von Wellington, wenn er je einen solchen Plan erwogen haben würde, nicht einen Mann hinter sich gehabt.
Wenn die Demokratie neu ist, erwächst sie aus dem Widerstand gegen die früheren Machthaber; aber solange sie neu ist, ist sie nicht fest. Männern, die sich als Feinde der alten Monarchen und Oligarchen präsentieren, kann es gelingen, ein monarchisches oder oligarchisches System wieder aufzurichten: Napoleon und Hitler konnten sich breite Unterstützung sichern, als die Bourbonen und Hohenzollern es nicht vermochten. Nur dort, wo die Demokratie lang genug gewährt hat, um traditionell zu werden, ist sie stabil. Cromwell, Napoleon und Hitler traten in der Frühzeit der Demokratie in ihrem jeweiligen Lande auf, und im Hinblick auf die beiden ersteren sollte der dritte in keiner Weise überraschend wirken.
Es gibt jedoch einige ernste Gründe für den Zweifel, ob es in naher Zukunft der Demokratie gelingen kann, das Prestige wiederzufinden, das sie in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts besaß. Wir haben gesagt, dass die Demokratie traditionell werden muss, um beständig zu werden. Welche Möglichkeit hat sie in Osteuropa und Asien, sich einzurichten als Voraussetzung für den Prozess traditioneller Entwicklung?
Die Regierung ist zu allen Zeiten in großem Umfang von der Militärtechnik betroffen worden. Als Rom der Demokratie zuneigte, bestanden die römischen Heere aus römischen Bürgern; ihre Ersetzung durch Berufsarmeen ermöglichte die Errichtung des Reichs. Die Stärke der Feudalaristokratie beruhte auf der Uneinnehmbarkeit der Burgen, die mit der Erfindung der Artillerie ein Ende fand. Die großen, fast ungeschulten Heere der französischen Revolution schlugen die ihnen gegenübergestellten kleinen Berufsarmeen, erwiesen die Bedeutung der Massenbegeisterung für die eigene Sache und legten damit die militärischen Vorteile der Demokratie dar. Wir scheinen nun durch das Flugzeug wieder Streitkräfte zu brauchen, die aus verhältnismäßig wenigen, hochtrainierten Männern bestehen. Es ist daher zu erwarten, dass die Regierungsform in jedem Land, das ernsthaftem Krieg ausgesetzt ist, dem entsprechen wird, was die Flieger haben möchten, und das wird kaum Demokratie sein.
Man kann dem allerdings einige Überlegungen entgegenstellen. Es kann angenommen werden, dass die Vereinigten Staaten, ob sie nun kriegführende Macht sein werden oder nicht, der einzige Sieger im nächsten Weltkrieg sein werden, und es ist unwahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten aufhören werden, eine Demokratie zu sein. Viel von der Stärke des Faschismus verdankte er der ihm zugeschriebenen militärischen Schlagkraft, und wenn diese sich als nichtbestehend erweisen sollte, könnte die Demokratie sich einmal wieder nach Osten ausdehnen. Auf die Dauer gibt nichts einer Nation solche Stärke im Krieg wie eine weite Verbreitung von Bildung und Patriotismus; und obwohl der Patriotismus im Moment durch die Wiederbelebungsversuche des Faschismus stimuliert werden kann, führen derartige Methoden, wie lange Erfahrung auf religiösem Gebiet gezeigt hat, schließlich unvermeidlich zu Ermüdung und Rückfall. Im ganzen gesehen deuten daher die militärischen Argumente auf das Weiterleben der Demokratie, wo sie noch besteht, und auf ihre Wiederkehr in Länder, in denen sie augenblicklich ausgeschaltet ist. Man muss allerdings zugeben, dass die entgegengesetzte Alternative durchaus nicht unmöglich ist.
DREIZEHNTES KAPITEL
ORGANISATIONEN UND DAS INDIVIDUUM
M enschliche Wesen finden es vorteilhaft, in Gemeinschaften zu leben, aber im Gegensatz zu den Bienen in einem Bienenstock bleiben ihre Wünsche in großem Maße individuell bestimmt; daraus erwachsen die Schwierigkeiten des gesellschaftlichen Lebens und die Notwendigkeit einer Regierung. Denn einesteils ist eine Regierung notwendig: Ohne sie könnte nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Bevölkerung zivilisierter Länder weiterzuleben hoffen, und zwar in einem Zustand erbärmlicher Armut. Aber
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