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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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Wichtigen der Stadt oder ausgedehnter Wochenendausflüge auf seine Lieblingsinsel grollten, dann hinter vorgehaltener Hand. Und immer mit einer verständigen Milde. Seine Bürger schätzten Ole von Beust ebenso wie Journalisten, die er selten zu konfrontativer Haltung oder allzu dezidierter Auseinandersetzung mit inhaltlichen Positionen zwang, »wir hatten ein gutes Auskommen«.
    Die Bewunderung der Menschen stattete ihn mit einer enorm wirksamen Machtfülle aus. Er gab die Richtung vor. Unangefochten. Auch das Fehlen jeder ehrgeizigen Ambition, von Hamburg aus an bundespolitischem Einfluss zu gewinnen, war Teil des Mythos.
    Sein Kollege Roland Koch hingegen galt parteiintern und extern lange als erster Widersacher der Kanzlerin. Jede eigene Position, jede politische Intervention wurde als Zeichen sei- nes Machtstrebens gewertet. Dabei hat er sich irgendwann ganz bewusst entschieden, das Duell mit Angela Merkel auszulassen. Auch als ihn seine Unterstützer zum Entern des Kanzleramtes drängten. Vielleicht weil selbst ihn der erwartbare Widerstand schreckte, vielleicht auch weil er »seine Ex-Chefin« tatsächlich schätzt, wie er mit ungewöhnlich blumigen Worten versichert. Auch wenn sie Führung so ganz anders repräsentiert als er. Damals, am Wahlabend 2005, als es Spitz auf Knopf stand für die CDU und auch für die damalige Parteivorsitzende, als Bundeskanzler Gerhard Schröder sich in der Elefantenrunde aufplusterte und den Fakten zuwider protzend seine Wiederwahl ausrief, da war es Roland Koch, der seine Partei anführte und klarstellte: »Der bleibt es nicht, das lassen wir nicht zu.« Auch wenn die Kanzlerinnen-Kür von Angela Merkel einen Rückschlag für seine eigenen Ambitionen bedeutete. Inzwischen ist er froh, »dass der Kelch an mir vorbeigegangen ist«, beteuert er. Auch wenn es lange »eher eine Vernunft- denn eine Herzensentscheidung« gewesen ist.
    Und dann, er hatte seinen Rücktritt längst bekanntgege- ben, trat er doch noch mal in Kanzlerformat in Erscheinung: Als Christian Wulff 2010 zum Bundespräsidenten gewählt werden sollte, nutzten Parteimitglieder die Gelegenheit, der Kanzlerin ihren Verdruss effektvoll zu zeigen, und verweigerten deren Wunschkandidaten die Stimme. Eine Ansprache der CDU-Vorsitzenden, nach dem zweiten von Abweichlern vermasselten Wahlgang, im Stile eines Fußballtrainers in der Halbzeitpause, weckte nur verhaltene Begeisterung. Nun ging es um Führung. Um das, was Roland Koch für das Wesen von Politik hält. Menschen für die eigene Position gewinnen, Diskurse zulassen, Ergebnisse erzielen. Das ist der Moment für einen wie Roland Koch. Mit einer Weckrede, die Anwesende noch heute mit schwärmender Bewunderung rezitieren, brachte er die Störer auf Parteilinie und Christian Wulff ins Schloss Bellevue. Dass ihm dieser Moment besonderen Spaß gemacht hat, verhehlt er nicht. Aber er analysiert auch nüchtern, dass er diese Rede nur aus »der spezifischen Rolle des Aussteigers« hat halten können. Unter normalen Umständen wären die »Kollateralschäden« größer gewesen als die Wirkung, die Deutung als Angriff auf die Führungsposition zwangsläufig.
    Haltung versammelt. Befürworter und Gegner. Auch im eigenen Lager. Dass Roland Koch mehr Gegner hatte als Befürworter, mag er so nicht unterschreiben, aber er weiß, »dass seine jahrelange reflexhafte Polarisierung der Partei auch viel Kraft abverlangt hat«. Ob es seiner Partei nun besser gehe ohne ihn, ob die vermeintliche Harmonie hilft, vermittelbarer zu sein in Position und Personal, um politische Ziele leichter zu erreichen, beantwortet er mit einem beredten Lächeln. Wenn man ihn so ansieht, bekommt man ohnehin das Gefühl, dass die Partei mehr Kraft hat aufwenden müssen in seiner aufsehenerregenden Amtszeit als er selbst.
    Dass er den Abschied selbst gestalten konnte, hat seinen friedvollen Rückblick ganz sicher begünstigt. Oder überhaupt nur möglich gemacht. Auch wenn er genau weiß, dass es nicht sein Verdienst gewesen ist, sondern dem Fehler der Gegnerin zu verdanken. Einem leichten Fehler, mit dem er nicht mehr gerechnet hatte. Als Wahlverlierer die Habseligkeiten in seinem Wiesbadener Büro zusammenzupacken, das hat ihn erschüttert. In seinem Jargon heißt das, es sei »ein unbequemes Gefühl« gewesen. Auch wenn er »mit sich im Reinen war«. Nach elf Jahren als Ministerpräsident, da empfindet er es nicht als ehrenrührig, nicht wiedergewählt zu werden.
    Jahre zuvor wäre das noch anders gewesen.

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