Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
gegenseitig gesucht und befruchtet, wie er wechselseitigen Nutzen gerne nennt. In guten und in schlechten Zeiten, das hat er verstanden. Auch im vielleicht schlimmsten Augenblick der Zurückweisung, wie er sich zu erinnern glaubt.
Er war Bild -Redaktionsleiter in Köln und kam nach einem widrigen Arbeitstag in eine Musikkneipe, in der so ein alter »Blues-Fritze« spielte. Der war richtig gut, und irgendwann hat der Röbel sich getraut zu fragen, ob sie ein Stück zusammen spielen. Der perfekte Sound sei das gewesen: »Zehn oder zwölf wunderbare Minuten, in denen alles passte.« Danach haben sie ein Bier zusammen getrunken, erschöpft und mit der Welt im Einklang. Irgendwann hat sein kongenialer Partner seine Bild -Visitenkarte gesehen und ist wütend aufgesprungen. »›Du Sau‹, hat er geschrien, ›und mit so einem habe ich gespielt‹. Das hat unheimlich wehgetan.«
Jetzt ist er fein raus.
Machtausübung
»Dann gehe ich los und hole es mir.«
Hartmut Mehdorn
Die Assistentin empfängt mich in einem strahlend roten Kostüm am Empfang des riesigen Bürogebäudes und ihre Stimmung ist entsprechend. Den gemeinsamen Weg zur Vorstandsetage des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger Berger nutzt sie, um mir die Freude an der Zusammenarbeit mit dem neuen Chef zu versichern. Die Vehemenz, mit der sie meine ungestellten Fragen beantwortet, soll den Eindruck korrigieren, der auch hier erst mal gesetzt ist. Roland Koch gehört zu der Gattung Politiker, deren Machthabitus zum zentralen Element ihrer öffentlichen Wahrnehmung geworden ist. In Zeiten gepflegter Entpolarisierung und agenturgesteuerter Imagebildung war der ehemalige hessische Ministerpräsident die personifizierte Zuspitzung.
Roland Koch begrüßt mich mit kräftigem Händedruck in einem zweckmäßigen Büro, in dem nur die Zeichen seiner vorherigen Karriere glanzvolle Akzente setzen. Auf dem Sideboard vermitteln unzählige Fotos, die Roland Koch mit prominenten politischen Wegbegleitern zeigen, eine Aura von Bedeutung. Der oberste Bauherr eines internationalen Baukonzerns zu sein versprüht so viel Glamour wie die Ankunft am Bahnhof der Stadt Mannheim. Und doch wirkt er ganz und gar harmonisch mit sich und seiner Welt.
Er sei einer, für oder gegen den man sein kann, eröffnet er, stolz auf eine Art, auf die Frage nach seinem öffentlichen Bild, in jedem Fall sei man es mit Emphase. Das gefällt ihm, suggeriert er. Schnell wird aus dem persönlichen Einstieg eine politische Haltung. Er glaubt fest an die Notwendigkeit von Extrempositionen bei demokratischen Wahlentscheidungen. Umso mehr, da die zu bewertenden Sachverhalte immer vielschichtiger werden. Da braucht es Leute, die Provokation im Sinne der Sache nicht scheuen, um die Menschen mitzunehmen und zu Anteilnahme und Wahlbeteiligung zu motivieren. Leute wie ihn. Dass er sich damit das Image des Politrambos eingebrockt hat, trägt er lakonisch, aber nicht gleichgültig. Er hat tausendfach gehört, dass er viel netter sei als im Fernsehen. Auf der Straße, im Wahlkampf, dort, wo er wirklich mit den Menschen in Berührung kommt.
Braucht es die Überinszenierung der öffentlichen Person, wenn die Rolle des Bösewichts erst einmal unverrückbar festgelegt ist? Ersetzt die Attacke Argumente, Lautstärke den Dialog, im Bewusstsein, dass keine Sympathiepunkte zu errin- gen sind? Ist Roland Kochs Naturell das eines Grenzgängers oder übertritt er Grenzen, weil er früh verstanden hat, dass ihm die Instrumente zur Herzensgewinnung nicht zur Verfügung stehen?
»Sie sind ja viel netter als im Fernsehen«, diese bedingt schmeichelhafte Einordnungsformel kennen all diejenigen, die in ihrer medial transportierten Identität stets mit kontroversen Verlautbarungen und umstrittenen Entscheidungen wahrgenommen werden. Im Verteidigen der eigenen Haltung, beim Rechtfertigen inhaltlicher Positionen unter dem scharfgestellten Scheinwerferlicht tritt zwangsläufig der Mensch hinter die professionelle Rolle und die geforderten Botschaften zurück.
Der wiederkehrende Ausdruck der Überraschung langweilt Roland Koch manchmal, aber umgekehrt zu hören, er sei vor der Kamera netter als in der realen Begegnung, wäre ihm dann doch unangenehmer. Dennoch hat er sich oft gefragt, was er in der Kommunikation falsch gemacht hat. Warum beinahe alle Menschen, die persönlich mit ihm in Berührung kommen, nicht nur seine Intelligenz und seinen Scharfsinn, sondern auch seine Herzlichkeit beteuern. Viele hochkarätige Imageberater
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