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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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unliebsame Diskussionen führen, wenn er nur einen Platz fände in diesem nachtragenden People Business, dessen liebstes Kind er einmal war. Er will zeigen, dass er mehr ist als der Luftschlossmanager, als der er am Ende dastand. »Einer, der auch 'ne dunkle Seite hat.« Das klebt an ihm. Erkannt wird er noch immer häufig, Symbolgesichter prägen sich ein. Einige wissen, dass er »tolle Sachen gemacht hat«, begegnen ihm mit Neugierde oder mit Neid. Dass viele Menschen Geld verloren haben durch seine Pleite, ist ihm bewusst, und er bedauert es für jeden Einzelnen. »Viele haben aber auch einen Haufen Geld mit mir verdient.« Wenn der eine verliert, gewinnt der andere. Dass man es nicht vorhersehen kann, zumindest nicht immer, ist nichts für jemanden wie ihn, der die Dinge gern kontrolliert. Oftmals nimmt er Bezug auf unsere vorherigen Gespräche, versichert sich damit, dass seine Worte richtig verstanden wurden. Fehldeutungen gab es in den vergangenen Jahren genug, findet er. Das macht ihn vorsichtig. Obwohl er jetzt frei ist. Zehn Jahre nach der Insolvenz von Kabel New Media wurde die letzte von zwanzig anhängigen Klagen abgewiesen. Zum »Ende seiner Gefangenschaft« hat er eine kleine Feier gegeben. Nicht mehr ständig habe er sich mit den Vorwürfen beschäftigt, »da stumpft man ab über die Jahre«. Aber der Abschluss sei schon ein erlösender psychologischer Moment gewesen. Er sagt, Kabel New Media sei jetzt ausgestanden. Der größte Erfolg seines beruflichen Lebens ausgestanden. Jede Akte hat er gelesen, jeden Geschäftsvorgang in Schweden oder andernorts außerhalb seines unmittelbaren Einflussbereiches analysiert, um die Anklagen zu widerlegen. Und auch, um sich ein Bild von sich selbst zu machen. Bei so extremen Einflüs- sen von außen »weiß man irgendwann gar nicht mehr, wer man eigentlich ist«. Die Kriminalisierung habe an ihm genagt. »Fürchterlich, wahnsinnig, schrecklich« sei es gewesen: »Ich will integer sein. Ich bin einer, der nicht mal über eine rote Ampel fährt.« Und dann war er einer, der jahrelang strafrechtlich beschuldigt wurde, ein Betrüger zu sein.
    Für eine Anklage hat es nicht gereicht, das Verfahren wurde gegen eine »geringfügige Zahlung« eingestellt. Die Verurteilung allerdings hat auf anderen Ebenen stattgefunden. Das ein oder andere Mal sei er im Gespräch gewesen für einen wirklich guten Job im Vorstand eines großen Unternehmens. Dann habe man ihm stets zu verstehen gegeben, dass das nichts wird mit seiner Geschichte. Das hat er sogar verstanden: »Ein solches Verfahren ist ein Stigma, das hält jeden davon ab, einen anzufassen.« Und dabei sei er jetzt noch viel wertvoller für den Arbeitsmarkt, mit all den lehrreichen Erlebnissen und Einblicken. Auch durch die in den Abgrund.
    Diese Sache bewältigt zu haben, das hat ihn zu einem anderen Menschen gemacht, davon ist er überzeugt. Demut hat er gelernt und Dinge zu ertragen, die er nicht ändern kann. Er warte nicht täglich auf einen »Anruf aus Hollywood« sagt er trotzig, immerhin ist er seit 1996 ordentlicher Professor für Kommunikation und Mediendesign. Er berät Unternehmen, investiert in Start-ups und versucht seine Erfahrungen auf diese Weise sinnvoll einzubringen. Auch die schlechten. Und gerade schaut er mal wieder bei seinen indischen Lebensrettern vorbei, er hilft dabei, die Organisation »digital voranzubringen.« Schön sei das, weniger exponiert und angreifbar. Aber er traut sich nach wie vor zu, die große Bühne zu bespielen.
    Sein immerhin dreijähriges Intermezzo bei einer renommierten Werbeagentur ist nicht das Richtige gewesen, zu viele Alphatiere. Aber er macht weiter, er läuft nicht vor seinem Ruf davon. »Wie sollte ich das denn meinen Kindern erklären?« Vielleicht müsse er erst mal aufräumen mit dem Gerücht, er sei unsagbar reich. »Da denken natürlich alle, der macht sich die Hände nicht mehr schmutzig: Ich kann ja keine Annonce schalten mit meinem tatsächlichen Kontostand.« Aber die Staatsanwaltschaft Hamburg, phantasiert er dann, die sei ihm eigentlich eine ganzseitige Anzeige schuldig, in der sie ihre fünfjährige ergebnislose Ermittlung bedauert und Peter Kabel rehabilitiert. Dann könnte er vielleicht wieder an Recht und Gerechtigkeit glauben. »Ich habe nichts getan, außer mit einem Unternehmen zu scheitern, das ich vorher mit meinen Ideen zum Erfolg geführt habe.«

    Hera Lind, so heißt sie noch immer. Es ist nun mal ihr Name, seit sich Herlind Wartenberg zu Beginn

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