Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Frauentitel und Wellness sind nicht meine Baustelle.«
Er ist einverstanden mit seinem Leben, »auch wenn es ein paar Dellen hat«. Eigentlich habe er schon unverschämtes Glück gehabt. »Und wahnsinnigen Erfolg, für einen kleinen Kerl aus Hassloch«, posaunt er mit ironischer Selbstüberhöhung: »Ich bin bestimmt der berühmteste Sohn des Dorfes.«
Er genießt das Schreiben und auch die Entscheidung, nicht mehr Teil des Fischschwarms zu sein. Gerhard Schröder hat ihn schon lange nicht mehr angerufen und auch nicht all die Minister, die »Gegelten«, die ihm früher gern nah sein wollten. »Time goes by. Wem oder was soll ich nachtrauern? Mein Dienstwagen war ein Kombi, um meine Familie unterzubringen, und einen Fahrer hatte ich sowieso nie.« Der wäre ihm eine Belastung gewesen: »Nach einer halben Stunde im Zwick hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt und gesagt: ›Junge, komm rein und trink einen mit.‹«
Alles »in Butter« also, wenn nur diese blickfangenden Flecken auf seinem Polohemd nicht wären. Dieses Gladbeck, das seinen Namen beschwert wie Sebnitz seine Seele. Überhaupt wird immer vergessen, dass er es war, der den General Kießling rehabilitierte. Nach ehrabschneidenden Gerüchten über dessen vermeintliche Umtriebe in der Kölner Schwulenszene. »Ich habe einem Mann die Ehre zurückgegeben.« Dafür hat er eine Auszeichnung bekommen. Darauf ist er stolz. Und das gehört genauso in seinen Lebenslauf wie Gladbeck. Auch wenn seine Recherchen am Anfang anders intendiert waren. Aber er war eben ein richtig guter Reporter.
Das habe ihm auch der Vorsitzende des Landgerichtes bestätigt, erzählt er, als brauche diese These einen Zeugen. Bei einer Polizeitagung, im Rahmen derer wieder mal über die Geiselnahme und die Schuldfragen diskutiert wurde. Er hat wie immer ungeschönt die Ereignisse rekonstruiert, als der Vorsitzende ihn unterbrach: »Herr Röbel, niemand kennt die Abläufe rund um Gladbeck so gut wie ich, und ich kann Ihnen sagen, ohne Sie wäre es zu einem Blutbad gekommen.« Das war seine innere Freisprechung. Dass es auch eine äußere geben kann, daran glaubt er inzwischen nicht mehr.
»Sven braucht noch eine Weile, er übt gerade am Simulator«, vertröstet mich sein sonnengemütiger Manager Axel Watter und versucht mir unterdessen mit jungenhaftem Elan die Technik eines Rennwagens zu erklären. So habe er das auch mit Sven Hannawald gemacht, als er vor einigen Jahren dessen Faszination für den Rennsport weckte und ihm damit in seiner tiefsten Krise einen neuen Lebensanker zuwarf. »Der Sven hatte überhaupt keine Ahnung von Autos, der musste alles von der Pike auf lernen, wie eine Handwerkslehre.« Fordernd sei das gewesen, bekennt sein Schützling nach Beendigung des schweißtreibenden Trockentrainings. Oft auch überfordernd. Zermürbend langsam nur waren Fortschritte erkennbar. Vertrackt für einen wie ihn, der mit allem, was er tut, immer besser werden will. Am besten schnell. Dass er den versierten Rennkollegen oft mit straßenverkehrstauglichem Sicherheitsabstand hinterherfuhr, hat ihn weniger gewurmt als die zähe Suche nach der Symbiose mit seinem Chassis.
Inzwischen haben sie sich angenähert, er ist zufrieden, sogar mit den Ergebnissen. Überhaupt fällt ihm so manches jetzt leichter als während seiner ersten Karriere. Zu gewinnen sei auch eine Bürde, sagt er, »weil jeder Erfolg die Erwartung des nächsten nach sich zieht«. Die Fähigkeit zum Genuss ist ihm darüber komplett verlorengegangen. Aber das war schon in Ordnung, er weiß ja, wofür er es getan hat. Jetzt sei er viel lockerer, sagt er. Und zeigt stolz auf sein Rennfahrer-Equipment. Einen neuen Laptop hat er sich gerade extra gekauft, um seine Trainings- und Rennverläufe auszuwerten. Er legt seine Runden über die der schnellsten Fahrer und analysiert, woran es noch fehlt, wann er zu früh aufs Gas gegangen ist oder die Lenkbewegung zu hektisch war. Rennsport ist eine Wissenschaft. Noch viel mehr als Skispringen, und damit auch eine Falle für Perfektionisten. Der Metallkoffer, in dem er seine Unterlagen immer bei sich trägt, sei angeordnet wie bei der Bundeswehr, frotzelt der Manager. Sven Hannawald sei einer der anspruchsvollsten Athleten unter seinen Fittichen, mit dem stetigen Bedürfnis nach Entwicklung und dieser nimmermüden Lernbegierde.
Auf einer Sprungschanze möchte er nicht mehr stehen, er vermisst es nicht. Verstörend sei es am Anfang gewesen, nicht mehr zu tun, was er am besten kann.
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