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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Kinski) ist besessen davon, im peruanischen Dschungel ein Opernhaus nach dem Vorbild des brasilianischen Teatro Amazonas zu errichten und berühmte Sänger, insbesondere Enrico Caruso, zu engagieren. Um dieses Vorhaben zu finanzieren, betreibt Fitzcarraldo einen Kautschukhandel auf den Dschungelflüssen. Auf seinen Fahrten durch diese Dschungelflüsse hat Fitzcarraldo auf dem Vordeck seines Dampfers ein Grammophon quasi als Galionsfigur aufgebaut, womit er den Urwald (und die zuhörenden Eingeborenen) mit italienischen Opern beschallt. Natürlich ist die Tonqualität erbärmlich, aber was zählt, sind die übermittelten Gefühle. Die emotionale Wirkung der italienischen Opern auf Fitzcarraldo wird eindrücklich durch die schauspielerische Kunst von Klaus Kinski demonstriert, der den armen Fitzcarraldo ergreifend darstellt. Trotz aller eindrücklichen Beispiele aus dem Alltag, welche uns die emotionale Kraft der Musik vor Augen führen, sind die wissenschaftlichen Grundlagen der emotionalen Wirkung von Musik bislang eher spärlich erforscht worden. Aber das, was wir jetzt bereits wissen, ist bemerkenswert und soll im Folgenden dargestellt und diskutiert werden.
    Viele Psychologen und Musikwissenschaftler sind der Ansicht, dass Musik einen intentionalen Charakter bzw. Ursprung im Zusammenhang mit der zwischenmenschlichen Kommunikation hat. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kommunikation zwischen Mutter und Kind (es kann auch die Kommunikation zwischen Vater und Kind sein). Mittels des Gesangs kann die Mutter (oder der Vater) das Kind beruhigen oder belustigen,ohne dass die komplexe Sprache notwendig ist. Nicht nur der Gesang, sondern auch Instrumentalmusik kann zur Stimmungskontrolle der Kinder erfolgreich eingesetzt werden. Denken wir in diesem Zusammenhang an die leicht monotone Einschlafmusik, mit der Kleinkinder Sicherheit vermittelt bekommen und in den Schlaf «gelockt» werden. Ferner können Musik, Gesang und Tanz hilfreich sein, Gruppenmitglieder emotional zu synchronisieren und damit auf eine Stimmung einzuschwören. Man erkennt dies sehr eindrücklich im rheinischen Karneval wenn Schunkellieder erklingen; dann bewegen sich alle Mithörenden im Takt der Musik und können sich kaum des Mitsingens der eingängigen Karnevalslieder erwehren. Interessant ist, dass Kinder offenbar das Singen dem Sprechen vorziehen, was auch daran erkennbar ist, dass Kinder früher beginnen zu singen als zu sprechen. Dies mag damit zusammenhängen, dass beim Musikhören sprachliche Ausdrücke nachgemacht bzw. imitiert werden (Nakata und Trehub, 2004). Insofern besteht offenbar bei Kindern und Babys eine enge Beziehung zwischen Sprache und Musik. Ich werde auf diesen Aspekt in Kapitel 11 noch einmal detailliert zu sprechen kommen. An dieser Stelle soll zunächst festgehalten werden, dass Musik (insbesondere der Gesang) als nichtverbales emotionales Kommunikationsmittel dient.
    Aber was sind die Ursachen dafür, dass wir bestimmte Musik zu mögen scheinen und andere Musik ablehnen? Gibt es so etwas wie eine universell bevorzugte Musik? Wann hören wir welche Musik? Wie hören wir diese Musik, und vor allem: Wer hört welche Musik? Oft wird von Mitgliedern westlicher Kulturen behauptet, dass die westliche Musik, insbesondere die klassische Musik, alle typischen Elemente beinhalte, um starke emotionale Reaktionen hervorzurufen. Das stimmt durchaus, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass Angehörige anderer Kulturkreise diese Musik gleichermaßen schätzen. Ein Blick in andere Kulturkreise hilft uns, dieses Phänomen besser zu verstehen. Für den in westlichen Kulturen sozialisierten Bildungsbürger sind manche Klänge aus dem asiatischen oder arabischen Raum eher fremd und rufen nicht selten sogar Reserviertheit oder gar Abneigung hervor, während bei Arabern und Asiaten die gleiche Musik höchste Verzückungen auslöst. Aktuell erkennt man dieses Phänomen eindrücklich beim jährlichen
European Song Contest
bei dem regelmäßig osteuropäische Interpreten gewinnen, da sie infolge des Abstimmmodus mit vielen Stimmen aus den osteuropäischen Ländern rechnen können. Die leicht folkloristisch angehauchten Lieder aus den osteuropäischenLändern finden eben dort enormen Anklang, während die westliche Popmusik offenbar eher ihre Anhänger im westlichen Europa findet. Das soll nicht bedeuten, dass Anhänger

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