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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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unterschiedlicher Kulturkreise die Musik des jeweils anderen Kulturkreises nicht schätzen lernen können. Aber dies erfordert intensive Erfahrung mit dieser Musik. Man muss in diesem Zusammenhang auch zwischen der
emotionalen Bewertung
von Musik und dem durch die Musik
hervorgerufenen Gefühl
unterscheiden. Emotionale Bewertung und die emotionale Empfindung können sich synchron entwickeln. Interessanter ist allerdings, dass emotionale Empfindung und Bewertung sich auch erheblich unterscheiden können. Das bedeutet, dass man bestimmte Musikstücke als emotional angenehm bewerten kann, obwohl sie keine angenehmen Gefühle evozieren. So ist es durchaus möglich, dass ein Hörer ein klassisches Musikstück als angenehm bewertet, aber keine starken (oder überhaupt keine) angenehmen Gefühle empfindet. Gleiches gilt auch für Musikstücke aus anderen Musikrichtungen. Ein Anhänger der Hip-Hop-Szene mag durchaus Hip-Hop-Musik als besonders angenehm bewerten, obwohl er keine positiven Gefühle beim Hören dieser Musik empfindet. Wahrscheinlich wird die emotionale Bewertung eher durch kognitive Prozesse (also durch das Denken) gesteuert oder modifiziert, während die emotionale Empfindung weitgehend unbeeinflusst von solchen kognitiven Prozessen abläuft. Im Folgenden werde ich kurz darstellen, wie sich die emotionale Präferenz für Musikstücke entwickelt. Die Entwicklung von emotionaler Präferenz für bestimmte Musik, Klänge oder Gesänge wird von zwei Faktoren bestimmt, die sich gegenseitig beeinflussen können:
    1.   biologisch vorgegebene Reaktionen auf bestimmte akustische Reizkonstellationen (s. Abschnitt 6.1) und
    2.   gelernte Präferenzen für bestimmte akustische Reize (s. Abschnitt 6.2).
    6.1
    Preparedness
    Unser Gehirn ist offenbar evolutionär darauf programmiert, bestimmte akustische Reizkonstellationen schnell und präzise zu identifizieren, um insbesondere entsprechende lebenswichtige bzw. lebensschützende Verhaltensweisen auszulösen. Der Mechanismus, auf bestimmte Reize biologisch(wahrscheinlich genetisch) entsprechend vorbereitet zu sein, wird in der psychologischen Fachsprache als
Preparedness
(Vorbereitetsein) bezeichnet. Typische akustische Reize, die beim Menschen, aber auch bei vielen Säugern, Abwehr- und Fluchtreaktionen auslösen, weisen folgende Charakteristika auf:
    â–     laute Reize
    â–     chaotische unregelmäßige Lautmuster
    â–     schnell laut werdende Reize
    â–     laute Knallgeräusche
    â–     dumpfe und tiefe Klänge
    â–     extrem hochfrequente Töne
    â–     dissonante Klänge.
    Diese Reize könnten Gefahren symbolisieren, die das Überleben des Hörenden gefährden könnten. So stoßen gefährliche Tiere laute und abrupt einsetzende Laute aus, schnell laut werdende Reize zeigen Objekte an, die sich auf den Hörenden zubewegen und eventuell ein Ausweichen notwendig machen. Manche Wissenschaftler argumentieren, dass diese Reizmuster ähnlich wie Schlüsselreize von unserem Gehirn verarbeitet werden. Hierbei wird davon ausgegangen, dass diese Reize auf einen Musterdetektor treffen, der für das Erkennen dieser Reize biologisch (evtl. genetisch) vorbereitet ist. Ungefähr so wie beim Schlüssel-Schloss-Prinzip. Ein ganz bestimmter (Schlüssel-) Reiz passt zu einem Musterdetektor (Schloss), der automatisch bestimmte Reaktionen auslöst. Neben den Reizen, die typischerweise Abwehrreaktionen beim Menschen hervorrufen, existieren auch Reize, die bevorzugt Zuwendung und positive Reaktionen auslösen. Hierzu gehören folgende Reizmuster:
    â–     regelmäßige Lautmuster
    â–     akustische Reize im mittleren Lautstärkebereich
    â–     langsam einsetzende und sich verändernde Reize
    â–     konsonante Klänge.
    Diese Klang- und Lautmuster sind eher Anzeichen für ungefährliche Situationen oder Objekte. Interessant sind in diesem Zusammenhang insbesondere die emotionalen Reaktionen auf dissonante und konsonante Klänge. Der Begriff Dissonanz (von lateinisch:
dis-sonare
= «misstönen») bezeichnet in der Musik Intervalle und Akkorde, die als «auflösungsbedürftig» (in einer Konsonanz, s. unten) empfunden werden. Es werden insbesondere solche Intervalle als dissonant empfunden, deren Frequenzen

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