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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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«komplizierte» Zahlenverhältnisse haben, etwa die große Septime (15:8) 37 , die kleine None (17:8), die kleine Sekunde (16:15) oder die übermäßige Quarte, der Tritonus (1:√2). Der Tritonus ist ein musikalisches Intervall, das genau drei Ganztöne umfasst. Aufgrund der Tatsache, dass der Tritonus die stärkste Dissonanz im Dur-Moll-Tonarten-System aufweist, wird er auch als der Teufel in der Musik (lat.
diabolus in musica
) oder auch als Teufelsintervall 38 bezeichnet. Der Begriff Konsonanz (von lateinisch:
con-sonare
= «zusammen-, mittönen») bezeichnet in der Musik einen Wohl- oder Zusammenklang. Intervalle und Akkorde, die als in sich ruhend und nicht «auflösungsbedürftig» empfunden werden, werden als konsonant bezeichnet. Das Gehör nimmt mehr oder weniger bewusst die Obertonreihe eines jeden Tones wahr. Je einfacher und harmonischer das Schwingungsverhältnis zweier Töne, desto wohlklingender empfindet das Ohr das sich ergebende Intervall. Physikalisch gesehen sind zwei Töne umso konsonanter (wohlklingender), je übereinstimmender ihre Obertöne sind. Typische konsonante Intervalle weisen «einfache» Zahlenverhältnisse auf, etwa die Oktave (2:1), die Quinte (3:2) und die Quarte (4:3). Derartig «einfache» Zahlenverhältnisse wurden zu Pythagoras’ Zeiten auch als «schöne» geometrische Verhältnisse bezeichnet. Konsonante Klänge werden gegliedert in vollkommene (Prime, Quarte, Quinte, Oktave) und unvollkommene Konsonanzen (große und kleine Sekunde, große und kleine Terz, große und kleine Sexte).
    Ob die Konsonanz-Dissonanz-Unterscheidung wirklich mit angeborenen emotionalen Präferenzen verbunden ist, wird gegenwärtigdiskutiert. Viele Musikwissenschaftler argumentieren, dass die Präferenz für konsonante Musik, Klänge und Intervalle eher durch häufiges Hören dieser Art von Musik und Klängen bestimmt wird. Dieses Argument ist durchaus einleuchtend, denn mit einiger Erfahrung empfinden wir selbst dissonante Klänge oder gar Musik, in der Dissonanzen recht häufig vorkommen, gar nicht mehr als so unangenehm. Ein typisches Beispiel findet sich in der Jazzmusik, wo Dissonanzen häufig vorkommen, aber oft gar nicht mehr als dissonant wahrgenommen werden. So gehört z. B. die große Septime zum wesentlichen Klangrepertoire des Jazz. Ihre charakteristische Reibung gehört im Jazz zur konsonant gehörten Kategorie, die nicht nach Auflösung verlangt. Dass ein Intervall nicht als dissonant wahrgenommen wird, heißt nicht, dass keine Dissonanz vorliegt, sondern die Wahrnehmung der Dissonanz hat sich verändert. So müssen im Jazz Dissonanzen nicht mehr aufgelöst werden. Sie gehören als Farbklänge zur wesentlichen akkordischen Klangwelt des Jazz. Weitere Beispiele des «Einzugs» von Dissonanzen zeigen sich in der Musik der Romantik, wie etwa in der Musik von Richard Wagners «Tristan und Isolde», «Tannhäuser» und «Der Fliegende Holländer». Hier sind Anhäufungen von Dissonanzen festzustellen, die nicht nach einer Auflösung streben. Besonders häufig findet man Dissonanzen in der atonalen Musik von Arnold Schönberg. Wie auch immer – diese Beispiele zeigen, dass Dissonanzen zumindest von Erwachsenen nicht zwingend als unangenehm empfunden werden müssen. Es scheinen allerdings schon sehr früh Präferenzen für konsonante Klänge und Intervalle vorzuliegen. Dies konnte die Studie von Zentner und Kagan eindrücklich zeigen (Zentner und Kagan, 1996). Die Harvard-Psychologen haben 32 vier Monate alte Babys untersucht (16 Jungen und 16 Mädchen). Diesen Babys spielten sie jeweils zwei unterschiedliche Versionen einer Melodie per Lautsprecher vor. Melodie A war so konstruiert, dass sie von Erwachsenen als eher konsonant wahrgenommen wurde, während Melodie B eher als dissonant eingeschätzt wurde. Während der Musikpräsentation wurden die Babys gefilmt und die Filmsequenzen nach dem Versuch im Hinblick auf die Zeit, welche die Babys auf den Lautsprecher schauten (Fixationszeit), und die Dauer der während des Hörens durchgeführten Bewegungen (Bewegen der Beine, Arme und des Kopfes) ausgewertet. Hierbei zeigte sich, dass die Babys erheblich länger auf die Quelle der Musik (den Lautsprecher) schauten, wenn sie konsonante Musik hörten. Während des Hörens dissonanter Musik nahmen allerdings

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