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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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die seitlich nach außen gerichtet sind. Die Äffchen hatten die Gelegenheit, sich jeweils im rechtsseitigen oder linksseitigen Gang aufzuhalten. In den beiden Gängen wurden unterschiedliche Musik oder nichtmusikalische Klangfolgen dargeboten. Die Forscher haben gemessen, wie lange die Tiere in den Gängen verharrten und sich den dort präsentierten Klängen oder der Musik aussetzten. In diesen Versuchen offenbarten sich interessante Ergebnisse. Ähnlich wie Menschen bevorzugten die Äffchen ruhigere Musik mit langsamem Tempo (zum Beispiel Einschlaflieder). Wenn die Äffchen jedoch die Möglichkeit hatten, zwischen ruhiger Musik und Ruhe zu wählen, dann wählten sie Ruhe (also keine Beschallung). Bei ähnlichen Experimenten mit Menschen ergeben sich gegensätzliche Befunde. Menschen bevorzugen Musikstimulation vor Ruhe. Offenbar zeigt sich hier ein fundamentaler Unterschied zwischen Primaten und Menschen im Hinblick auf die Bedeutung der Musikwahrnehmung. Allerdings bleibt zu klären, ob Primaten möglicherweise auch die Präferenz für Musik lernen können.
    6.2
    Wir mögen, was wir häufig hören
    Wie bereits angedeutet tritt das Baby mit den Betreuungspersonen mittels emotionaler Signale in Kontakt. In diesem Zusammenhang scheinen das Singen, aber auch andere musikalische Stimulationen besondere Bedeutung zu gewinnen, wahrscheinlich einfach weil es einer der wenigen Kommunikationskanäle ist, über die das Kind mit der Außenwelt in Kontakt tritt. Dies zeigt sich nicht nur in der Erkenntnis, dass Kinder Singen dem Sprechen vorziehen und auch früher singen als sprechen können, sondern auch in der Tatsache, dass das Singen von der Umgebung als sehr individuelles Signal verstanden wird. So erkennen Babys bereits sehr früh im 4. bis 7. Monat, nach der Geburt ob die Mutter singt oder eine andere fremde Person. Das bedeutet, dass das Gesangsignal sehr individualisiert ist und an eine bestimmte Person (hier die Mutter) gebunden ist. Man könnte hier schon feststellen, dass das Signal, welches als erstes den Hörkortex des Kindes erreicht (hier der Gesang derMutter) sich auch als erstes im Hörkortex etabliert (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.).
    In der Tat: Die emotionale Bewertung von Musik hängt sehr stark von der Erfahrung mit der entsprechenden Musik ab. Eine bestimmte Variante des Erfahrungseinflusses wird in der Literatur als reiner Darbietungseffekt (engl.:
mere exposure effect
) bezeichnet und ist schon sehr lange bekannt. Bereits 1903 hat ihn der Sozialpsychologe Meyer beschrieben (Meyer 1903). Er hatte den Versuchspersonen verschiedene Musikstücke wiederholt dargeboten (darunter auch für die Versuchspersonen eher ungewöhnliche asiatische Musik) und konnte zeigen, dass die mehrfach präsentierte Musik als angenehmer und positiver bewertet wurde, als jene Musik, die lediglich einmal präsentiert wurde. Mittlerweile ist dieser Effekt vielfach repliziert worden. Der Kern des Effektes ist, dass wir Musik bevorzugen, die wir schon einmal gehört haben. Dieser Effekt kann trotz einzelner methodischer Mängel in einigen Untersuchungen als gesichert gelten. Er wurde für unterschiedliche Musikrichtungen nachgewiesen (Jazz, tonale und atonale klassische Musik, koreanische und pakistanische Musik, aber auch für Zufallsfolgen von Tönen). Erwähnenswert ist auch, dass emotionale Vorlieben schon für sehr kurze akustische Reize entwickelt werden, die nicht länger als eine Viertelsekunde lang sein müssen. Dieser reine Darbietungseffekt ist im Übrigen auch unabhängig von der Bildung der Versuchspersonen und der jeweiligen Musikerfahrung (Peretz, Gaudreau und Bonnel, 1998; Samson und Peretz, 2005).
    Im Grunde belegen diese Studien, dass wir im Hinblick auf unseren Musikgeschmack außerordentlich konservativ sind. Wir mögen die Musik, die wir schon einmal gehört haben. Die Erfahrung mit der jeweiligen Musik muss uns dabei nicht unbedingt bewusst werden. Es reichen sogar recht kurze uns überhaupt nicht bewusst werdende «Erfahrungen» mit der jeweiligen Musik (z.B. einmalige Präsentation), um so etwas wie
positive Voreingenommenheit
für die gehörte Musik oder die akustischen Reize zu entwickeln. Der reine Darbietungseffekt ist häufig auch mit einer gesteigerten Erinnerungsfähigkeit an die gehörten Musikstücke verbunden. Das bedeutet, wir erinnern uns an die Musik, die wir mögen, auch

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