Macht Musik schlau?
Schwankungen
â Â Â Â historisch-kulturelle Schwankungen.
Wann hören wir eigentlich Musik? Die britischen Musikpsychologen John Sloboda und Susan OâNeill haben bei 76 Versuchspersonen während mehr als eine Woche im Rahmen einer Befragungsstudie untersucht, wann sie Musik hören (Sloboda, 1999; Sloboda und OâNeill, 2001). Hierzu statteten sie die Versuchspersonen mit einem Signalgerät (
Pager
) aus, das sich in unregelmäÃigen Zeitabständen bemerkbar machte. DieVersuchspersonen waren nach dem Hören des Signaltons angehalten, auf einem Block zu notieren, welche Tätigkeiten sie gerade ausführten und welche Musik sie gerade hörten oder gehört hatten. Als wesentliches Ergebnis zeigte sich, dass in den seltensten Fällen Musik ohne Nebentätigkeit gehört wird. Eigentlich wird Musik fast ausschlieÃlich parallel zur Durchführung anderer Tätigkeiten gehört, wobei die Musik dann eher als Hintergrund oder Begleitstimulation verwendet wurde. Es zeigte sich, dass 22 % der Befragten angaben, Musik zu hören, während sie Arbeiten im Haus verrichteten, ihr Auto lenkten, joggten oder Fahrrad fuhren. Vierzehn Prozent erledigen Büroarbeiten mit Musik im Hintergrund oder hörten Musik im Bett, insbesondere während des Einschlafens. Weitere 12 % hörten Musik beim Essen. Sechs Prozent gaben an, während des Aufwachens und Lesens Musik zu hören. Der Rest der Tätigkeiten während des Musikhörens sind Baden,
Home-Fitness
betreiben, geselliges Beisammensein, während sexueller und/oder romantischer Tätigkeiten und während der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln (MP3-Player oder Walkman) (s. auch Tab. 2 ).
Obwohl diese Studie aufgrund der geringen StichprobengröÃe nicht repräsentativ ist und die angewendete Methode auch eine Reihe von methodischen Problemen in sich birgt (sie setzt z.B. die Ehrlichkeit der Versuchspersonen voraus), geben uns die Ergebnisse zumindest ansatzweise einen Eindruck davon, wie und wo eigentlich Musik gehört wird, nämlich eher nebenbei. Allerdings hört man die Musik ja aus einem bestimmten Grund. Nach den Gründen für das Musikhören haben Sloboda und OâNeill auch gefragt. Die Personen gaben an, dass sie durch die Musik in eine angenehme Stimmung versetzt wurden, dass sie wacher, angeregter und geistig präsenter agieren würden. Als weiteres Ergebnis zeigte sich, dass das Gefühl der Kontrolle über die Musik einen wesentlichen Einfluss auf die emotionale Wirkung der Musik hatte. Konnten die Versuchspersonen selbst darüber entscheiden, was sie gerade hörten, steigerte sich ihre positive Stimmung. Hatten sie keine Kontrollmöglichkeit, waren die positiven Stimmungsänderungen viel geringer. Interessant ist dabei, dass in ca. 12 % der untersuchten Episoden die durch das Musikhören eingeleiteten psychischen Veränderungen recht komplex waren. So nahm in diesen Episoden die positive Stimmung zu, während die geistige Präsenz und Wachheit abnahmen. Das heiÃt, die kognitive Kontrolle und bewusste Präsenz nehmen ab, obwohl die positive Stimmung zunimmt. Möglicherweise deutet das darauf hin (so Sloboda und OâNeill), dass Musik für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werdenkann, entweder zur Stimmungsaufhellung
oder
zur Steigerung der geistigen Wachheit. In der Medienpsychologie werden die unterschiedlichen Motive des Musikhörens schon seit längerem thematisiert. Hierbei wird das Erleben und Wahrnehmen von Musik als das Zusammenwirken von drei Ebenen aufgefasst, die auch die Grundlage für die Motivation, Musik zu hören, bilden:
â Â Â Â geistig-intellektuelle Ebene
â    seelisch-gefühlshafte Ebene
â    körperliche Ebene.
Tabelle 2: Tätigkeiten während des Musikhörens nach Sloboda und OâNeill (2001) und Sloboda (1999).
Im Rahmen dieser Ãberlegungen geht man davon aus, dass beim «geistig-intellektuellen» Musikhören die Wahrnehmung und Analyse der Musikstruktur und kompositorischen Elemente im Vordergrund stehen. Man konzentriert sich demzufolge eher auf die Struktur und weniger auf den emotionalen Inhalt bzw. die emotionale Wirkung der Musik. Dies wird einem eindrücklich klar, wenn man einem Dirigenten bei der Arbeit zuschaut (was ich neulich erleben durfte). Selbst beim Einstudieren für den Laien ergreifender Musik wie
Albinonis Adagio
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