Macht Musik schlau?
der Dirigent und auch seine Musiker bemerkenswert kühl. Sie sind vollends auf ihre Arbeit und den Wunsch, dieses wunderbare Musikstück perfekt zu reproduzieren, konzentriert, ohne dass ein Anzeichen von emotionaler Rührung festzustellen ist. Wahrscheinlich ist dies der gleiche Zugang wie bei Chirurgen, die ihre Operation kühl und handwerklich perfekt ohne emotionale Regung durchführen. Bei der Anwendung des «seelisch-gefühlshaften» Zugangs zur Musik stehen dagegen die Emotionen vollends im Vordergrund. Hier interessieren die Empfindung und das durch die Musik hervorgerufene Gefühl ohne Rücksicht auf Musikstruktur und kompositorische Elemente. Bezogen auf das oben entwickelte Bild des Chirurgen würden die Angehörigen des Operierten eher einen solchen Zugang wählen. Die dritte Zugangsebene, welche als «körperliche Ebene» bezeichnet wird, beschreibt die motorischen und rhythmischen Komponenten, die mit dem Musikhören verbunden sein können. Diese drei Zugänge können entweder unabhängig oder in Kombination miteinander gewählt werden. Wichtig ist allerdings, dass die Zugangsebene nicht nur die Qualität und Intensität der Emotionen bestimmt, sondern auch ganz unterschiedliche Verarbeitungsprozesse im Hirn auslöst.
Die drei oben dargestellten Zugangsebenen sind ein erster Versuch, die unterschiedlichen Interpretationen und Wahrnehmungen von Musik zu erklären. Anhand von umfangreichen Befragungen Jugendlicher schlug der Musikpsychologe Behne (1986) ein differenziertes Bild möglicher Auseinandersetzungen mit Musik vor. Seine Analyse ergab, dass Jugendliche im Wesentlichen acht verschiedene «Hörweisen» von Musik wählen. Die verschiedenen Hörweisen sind im Folgenden nach ihrer Bedeutung in einer Rangreihe aufgeführt:
1.   motorisches Hören
2.   kompensatorisches Hören
3.   vegetatives Hören
4. diffuses Hören
5.   emotionales Hören
6.   sentimentales Hören
7.   assoziatives Hören
8.   distanziertes Hören.
In gewisser Weise lassen sich die eben beschriebenen drei Zugangsebenen wiederfinden, allerdings in anderer Form. Ergänzend zu den drei bereits bekannten Zugangsebenen findet sich hier das «kompensatorische Hören», mit dem das Musikhören zum Zwecke der Stimmungsregulation gemeint ist. Zum Beispiel wenn man müde ist, könnte man aus kompensatorischen Gründen eine stimmungsaufhellende Musik wählen. Das «vegetative Hören» bezeichnet einen Hörzugang, bei dem insbesondere das vegetative Nervensystem aktiviert ist. Das könnte eine Erhöhung der Herzschlagrate bedeuten, Entstehen von Gänsehaut oder Zunahme der SchweiÃdrüsenaktivität. Beim «emotionalen Hören» steht die emotionale und gefühlvolle Hingabe beim Musikhören im Vordergrund (etwa die weinenden Zuhörer bei der wunderschönen Arie «Unâ aura amorosa» aus der Mozart-Oper «Così Fan Tutte»). Das «sentimentale Hören» ist eine Hörweise, die sehr stark auf Gedächtnisinformationen aus unserem eigenen Leben zurückgreift. Ein solcher Hörzugang ist aktiv, wenn man beim Hören bestimmter Musik (z.B. Oldies) an seine Jugend und die erste Liebe erinnert wird, d.h. hier werden Gedächtnisinhalte aus der eigenen Vergangenheit reaktiviert, die mit Emotionen gekoppelt sind. Das «assoziative Hören» ist dem «sentimentalen Hören» prinzipiell sehr ähnlich, denn auch hierbei werden durch die Musik Gedächtnisinhalte aktiviert, die mit Emotionen gekoppelt sind. Diese Gedächtnisinhalte müssen allerdings nicht mit unserer eigenen Vergangenheit in Verbindung stehen. Typische Beispiele sind das Zwitschern eines Vogels oder das leise und sanfte Plätschern eines Baches, die uns an eine unwirkliche aber emotionale ansprechende Situation erinnern. Eine weitere neue Hörvariante ist das «diffuse Hören», welches einen Hörzugang beschreibt, der nach Behne (2001) als beiläufige Musikwahrnehmung im Sinne von Hintergrundmusik beschrieben wird. Typische Aussagen, die diese Form des Musikhörens bezeichnen, sind: «Ich höre nur mit einem Ohr zu.» oder «Ich mache während des Hörens etwas anderes.». Unerwähnt blieben bislang das «motorischeHören» und das «distanzierte Hören». Das «motorische Hören» ist im
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