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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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verschiedenen Lernprozessen und bei der Vermittlung von Verstärkung und Belohnung eine zentrale Rolle. Deshalb werden diese Netzwerke auch oft als Verstärkungsnetzwerke bezeichnet. Ich zähle hier noch einmal die wichtigen Hirnstrukturen dieser Netzwerke auf:
    1.   der Orbitofrontalkortex (OFC)
    2.   die Amygdala
    3.   das ventrale Striatum mit dem Nucleus accumbens
    4.   das Inselgebiet.
    Neuronale Aktivität in diesem System kann man nach der Präsentation von so genannten primären Verstärkern (Nahrung, Geruch etc.) finden, aber praktisch auch bei allen sekundären Verstärkern (schöne Gesichter, positive soziale Interaktionen, Musik und Geld). Dieses Verstärkungsnetzwerk (der OFC-Amygdala-Accumbens-Komplex) ist nicht nur beim Eintreten, sondern auch während der Erwartung, bei der Vorhersage von Verstärkung und auch während der Handlung, die zu Verstärkung führt, aktiv. Der Aufbau der verstärkenden Wirkung von sekundären Verstärkern über klassische Konditionierung mit primären Verstärkern konnte experimentell nachgewiesen werden. Am Beginn eines Experimentes konnten im ventralen Striatum und im OFC neuronale Aktivitäten gemessen werden, wenn die Versuchspersonen Zuckerwasser tranken. Nach einer klassischen Konditionierung auf einen neutralen Hinweisreiz löste der Hinweisreiz bereits Aktivitäten im ventralen Striatum und im OFC aus. Das bedeutet, dass quasi jeder neutrale Reize über das Lernen zu einem Verstärker werden kann.
    Die neuronale Aktivität im OFC nimmt mit zunehmendem Verstärkungswert eines Reizes zu. So treten z.B. mit zunehmender Menge der finanziellen Belohnung, größerer Attraktivität von visuellen Reizen (Autos und Gesichter) und je besser einem Getränke schmecken auch stärkere Aktivitäten im OFC auf. Mit anderen Worten, je mehr man etwasmag, desto stärker sind die Durchblutungszunahmen und die neuronale Aktivität im OFC. Der OFC ist eine relativ große Hirnstruktur, die aus unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt ist. Grob kann man einen seitlichen (lateralen) und einen in der Mitte liegenden (medialen) Teil unterscheiden. Beide Teilgebiete scheinen offenbar die verstärkenden Konsequenzen unseres Verhaltens unterschiedlich zu verarbeiten. Der mediale OFC ist aktiver, wenn verstärkende Konsequenzen eines Verhaltens zu erwarten sind. Der laterale OFC dagegen ist besonders aktiv, wenn Bestrafung und/oder Verlust droht. Während der OFC eher in die Verarbeitung der Valenz von Verstärkern eingebunden ist, scheinen die Mandelkerne (Amygdala) die Intensität des Verstärkers unabhängig von der Valenz zu verarbeiten.
    In bildgebenden Studien konnte gezeigt werden, dass das ventrale Striatum mit dem Nucleus accumbens (NAc) sowohl beim Erhalt eines Verstärkers als auch bei der Erwartung bzw. Vorhersage eines Verstärkers aktiv ist. Besonders aktiv ist diese Struktur, wenn die Vorhersage über den Verstärkungswert des zu erwartenden Reizes schwierig oder gar unmöglich wird.
    Diese Befunde haben für das Verständnis der Entstehung von musikalischen Vorlieben, aber auch für die Entstehung der engen Bindung an Musiker (Idole) erhebliche Bedeutung. Wenn beispielsweise Musik einer bestimmten Musikgattung das Verstärkungsnetzwerk aktiviert, dann werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch eigentlich «neutrale» Reize, die konsistent mit dieser Musik in Verbindung gebracht werden, mit dieser Musik und dem Verstärkungswert dieser Musik gekoppelt. Nehmen wir einmal an, Sie würden zum ersten Mal ein ganz bestimmtes Musikstück im Radio hören, das bei Ihnen angenehme Gefühle auslöst. Diese angenehmen Gefühle sind so stark, dass das Verstärkungssystem aktiviert ist und die Durchblutung dort erheblich zunimmt. Während Sie diese Musik hören (und sich dem wunderschönen Gefühl hingeben), nehmen Sie eine ganze Palette von zusätzlichen Informationen auf, die Sie später mit diesem Musikstück assoziieren werden. Sie analysieren mehr oder weniger unbewusst die Musikgattung, sie identifizieren den Sänger oder die Interpreten, sie erkennen bestimmte markante Eigenarten der Musik (Rhythmus, bestimmte Instrumente etc.). Diese zusätzlichen Informationen können dann in einem anderen oder ähnlichen Kontext ebenfalls das Verstärkungssystem aktivieren. Es kann allerdings noch komplizierter

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