Macht Musik schlau?
werden. Wenn Sie beispielsweise anstreben, zu einer bestimmten Gruppe von Menschen zu gehören, die für Sie ungeheuerwichtig ist (die so genannte
Peergroup
), dann wird die Aufnahme in diese Peergroup für Sie besonders angenehm und verstärkend sein. Immer wenn Sie Signale erhalten, dass die Gruppe Sie akzeptiert, wird Ihr Verstärkungssystem aktiv werden und entsprechende Gefühle auslösen. Wenn diese
Peergroup
allerdings eine bestimmte Musik mag, dann löst das Hören dieser spezifischen Musik Verstärkungen aus, die den Akzeptanzsignalen der Peergroup ähnlich oder sogar mit ihnen identisch sind. Dies erklärt das Phänomen der klassischen Jugend- und Gangmusik. Man könnte diesbezüglich auch in Anlehnung an ein altbekanntes Sprichwort ein neues Sprichwort kreieren: «Wessen Gruppenmitglied ich bin, dessen Lied ich sing». Das Original-Sprichwort bringt jedoch dieses Phänomen auch auf den Punkt: «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.» Auf diese Art und Weise haben ganze Generationen «ihre» Musik lieben und schätzen gelernt. Denken Sie jedoch nicht, dass diese Mechanismen nur bei Jugendlichen funktionieren. Sie verlieren bis an unser Lebensende nicht an Bedeutung. Denken Sie an so manche «Neureiche», die sich durch den Wiener Opernball quälen und die Salzburger oder Bayreuther Festspiele besuchen, nur um «dazuzugehören». Alleine der Umstand der
Peergroup
-Verstärkung lässt für sie die Musik erträglich werden. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass es auch echte Musikliebhaber gibt (wahrscheinlich sehr viele), die wegen des ehrlich empfundenen Hörgenusses in die Oper gehen.
Die hier geschilderten Verstärkungsmechanismen können auch ein anderes Phänomen erklären, das insbesondere viele Eltern in Unruhe versetzt. Ich nenne dieses Phänomen der Einfachheit halber das Fan-Idol-Phänomen. Warum entwickeln gerade Kinder und Jugendliche derart starke emotionale und jeglicher Vernunft entbehrende Bindungen an Musiker und Musikrichtungen? Ich denke in diesem Zusammenhang an die schreienden und in Ohnmacht fallenden Jugendlichen (interessanterweise häufig Mädchen), die man bei den Auftritten von Tokio Hotel oder anderen Boy-Groups antrifft. Aber Vorsicht: Die Elterngeneration hat sich ähnlich verhalten, als die Beatles, Rolling Stones oder die Doors aufgetreten sind. Wie auch immer: Die Grundlage dieser extremen emotionalen Bindung bildet wahrscheinlich ein Konglomerat aus verschiedenen Reizen, die bei den Jugendlichen Verstärkungen und die damit verbundenen Gefühle auslösen. Einerseits ist die Peergroup-Bindung sehr wichtig, denn durch das Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie jetzt erstmals auÃerhalb des Elternhauses mit fremden Personen erfahren, erleben sie überwältigende und starke Gefühle, die angenehmund verstärkend sind. Dieses gewaltige Zusammengehörigkeitsgefühl, das auch als erstes Anzeichen des Versuches der Ablösung vom Elternhaus angesehen werden kann, wird in einer berauschenden Atmosphäre auf einem Konzert erlebt. Diese Gefühle werden mit der spezifischen Musik und den Musikern gekoppelt. Das kann dazu führen, dass selbst unharmonische Musik (Schreien, Kreischen etc.) als angenehm empfunden wird, weil sie mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl gekoppelt ist. Auch die Bindung an die einzelnen Musiker ist dadurch erklärbar. Der herausragende Protagonist (nicht der beste Musiker der Combo), welche die Gruppe am prägnantesten repräsentiert, hat die stärkste «Kraft» mit dem allgemeinen Gefühl gekoppelt zu werden. Auf diese Art und Weise ist es sogar möglich, dass eigentlich äuÃerlich eher unattraktive Musiker durchaus in den Status von Sexsymbolen erhoben werden können, weil sie im Zusammenhang mit dem überwältigenden Zusammengehörigkeitsgefühl gesehen werden. Ganze Generationen von Rock- und Popmusikern haben sich so den besonderen Attraktivitätsstatus als Sexsymbol erworben, obwohl sie unabhängig von ihrer Musik völlig unauffällig wären. Oder könnten Sie sich ernsthaft vorstellen, Mick Jagger, Robbie Williams oder Steve Harley auf der Strasse zu erkennen und als besonders attraktiv zu empfinden? Ich bin überzeugt, dass sie diese Stars auf der StraÃe noch nicht einmal eines Blickes würdigen würden.
Abschliessend soll noch erwähnt werden, dass Emotionen und die allgemeine
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