Macht Musik schlau?
Musikstücke unterschieden. Das, was bei dem Einen ein «Gänsehautgefühl» hervorrief, lieà den anderen mehr oder weniger kalt. Für den Versuch ist dieser Umstand von Vorteil, da die von den anderen Versuchspersonen gewählten Musikstücke als Kontrollreize verwendet werden konnten. Für den PET-Versuch wurden diese 90 Sekunden dauernden Musikpassagen vorgespielt und die Hirndurchblutung mittels des PET-Scanners gemessen. Neben den Musikpassagen wurden auch noch zwei Kontrollbedingungen («Ruhe» und «Rauschen») verwendet. In der Ruhebedingung erfolgte keine akustische Stimulation, während in der «Rauschbedingung» Zufallsrauschen präsentiert wurde. Insgesamt kamen also vier Versuchsbedingungen zur Anwendung: «Musik mit Gänsehaut», «Musik ohne Gänsehaut», «Rauschen» und «Ruhe». Neben der Hirndurchblutung wurden noch der Muskeltonus (EMG), die Atemtiefe und die Herzschlagfrequenz gemessen.
Die Auswertung der Daten ergab folgendes Bild: Während des Hörens der «Gänsehautmusik» nahmen erwartungsgemäà die Herzfrequenz, der Muskeltonus und die Atemtiefe deutlich zu. Viel interessanter waren allerdings die Hirndurchblutungsmuster. Immer dann wenn das «Gänsehautgefühl» zunahm, nahm die Durchblutung in Hirngebieten zu, die auch für die Verstärkungsprozesse 42 (engl.:
reward
= «Belohnung»),Motivations- und Erregungskontrollen von zentraler Bedeutung sind. Insbesondere sind dies folgende Hirngebiete: das ventrale Striatum (auch als Nucleus accumbens bezeichnet), der Orbitofrontalkortex, der ventromediale Präfrontalkortex und das Inselgebiet. Durchblutungsabnahmen fand man in den Mandelkernen und im Hippokampus (Altenmüller, Grewe, Kopiez und Kopiez, 2007). Diese Hirngebiete sind vorwiegend bei unangenehmen Emotionen aktiv (siehe unten). Die Hirngebiete, bei denen Durchblutungszunahmen während des «Gänsehautgefühls» zu beobachten waren, sind genau jene Hirngebiete, die auch in vielen anderen Situationen aktiv werden, die uns extrem angenehme Gefühle spenden. So finden wir Aktivierungen in diesen Gebieten, wenn ein Drogensüchtiger die Droge konsumiert, für die er eine Sucht entwickelt hat. Auch während des Orgasmus nimmt die Aktivität in diesen Hirngebieten zu. Aber auch in weniger verfänglichen Situationen kann man dort Durchblutungszunahmen messen: Während des Betrachtens extrem schöner Frauengesichter, während des Erhalts eines Gewinns und während des Empfindens von Rache. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass das durch die Musik hervorgerufene «Gänsehautgefühl» neurophysiologische Reaktionen hervorruft, die den Reaktionen ähnlich sind, die im Zusammenhang mit Verstärkungsprozessen auftreten.
Die Arbeitsgruppe um Robert Zatorre hat bereits 1999 eine ähnliche PET-Studie publiziert (Blood, Zatorre, Bermudez und Evans, 1999). Im Rahmen dieser Arbeit haben die Wissenschaftler Melodien erstellt, die sich hinsichtlich der Dissonanz und Konsonanz unterschieden. Sie spielten den Versuchspersonen diese (künstlichen) Musikstücke vor und maÃen gleichzeitig die Hirndurchblutung während des Musikhörens. Zusätzlich mussten die Versuchsteilnehmer noch die Musikstücke bewerten. Erwartungsgemäà zeigte sich, dass die Versuchsteilnehmer die Musik umso angenehmer empfanden, je konsonanter sie war. Je dissonanter allerdings die Musik war, umso unangenehmer empfanden die Personen die Musikstücke. Man erkennt hier den altbekannten Zusammenhang zwischen Konsonanz-Dissonanz und der empfundenen Angenehmheit-Unangenehmheit. Interessanter sind allerdings die hervorgerufenen Hirnaktivierungen. Mit zunehmender Konsonanz und abnehmender Dissonanz(gleich zunehmender Angenehmheit) nimmt die Durchblutung in solchen Hirngebieten zu, die typischerweise bei angenehmen Emotionen, aber auch beim emotionsgeleiteten Lernen aktiv werden. Konkret vollzieht sich diese Zunahme im Orbitofrontalkortex (OFC), frontopolar im ventro-medialen Präfrontalkortex und in Hirngebieten unterhalb des Cingulums. Mit zunehmender Dissonanz (unangenehm bewertete Musik) nimmt die Durchblutung im parahippocampalen Bereich zu (um den Hippokampus und in der Nähe der Amygdala). Die Autoren dieser Arbeit haben, um die Musikreize möglichst gut zu kontrollieren, künstliche Musikstücke generiert. Dieser experimentelle Vorteil könnte allerdings auch den
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