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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Aktivierung vielfältige Einflüsse auf Denktätigkeiten und insbesondere das Gedächtnis ausüben. Wenn wir müde und erschöpft sind, was einem niedrigen Aktivierungsniveau entspricht, ist unsere Lern- und Gedächtnisleistung nicht besonders gut. Das ändert sich mit zunehmender Aktivierung. Mit zunehmender Aktivierung wird unsere Leistung bis zu einem bestimmten Punkt immer besser. Wenn wir «übererregt» sind, nimmt die Leistung wieder ab. Wir lernen und behalten jene Informationen besonders gut, die «emotional unterfüttert» sind. Angenehme und unangenehme Informationen finden schneller Zugang zu unserem Gedächtnis als langweiliges oder emotional neutrales Material. Deshalb sind Emotionen mit dem Thema Musik und Lernen eng verknüpft (s. auch Kap. 2 ).
    6.5
    Emotionen bei Profimusikern
    Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass Musik ein hervorragendes Mittel ist, um unterschiedlichste Emotionen hervorzurufen. Profimusiker empfinden während des Spielens nicht selten überschwängliche Gefühle während ihres eigenen Spiels. In der Regel können sie aber eine distanziertere Haltung zu ihrem Spiel einnehmen als der Zuhörer. In diesem Zusammenhang müssen wir auch eine eher unangenehme Seite des Musizierens thematisieren. Viele Musiker leiden unter erheblichen Versagensängsten. Gelegentlich bilden sich Persönlichkeitsstörungen aus, die sich bis zu Zwängen steigern können. Als Zuhörer ist man sich angesichts der häufig berauschenden Aufführungen überhaupt nicht gewahr, dass Konzertmusiker nicht selten Schwerstarbeit zu leisten haben. Zu bedenken ist, dass wir heute in einer für Live-Musiker ungemütlichen Zeit leben. Jeder Musikliebhaber hört auf CD oder iPod® sowohl künstlerisch und technisch perfekte Aufnahmen. Wenn wir die Musiker dann bei Live-Auftritten hören, sind wir nicht selten enttäuscht, weil der Unterschied zwischen «Konserve» und Live-Musik teilweise erheblich ist. Auf den Musikkonserven spielen Musiker zwangsläufig fehlerfrei, weil sie die Möglichkeit haben, ihre Musikstücke so lange zu wiederholen, bis sie sie fehlerfrei spielen können. Im digitalen Zeitalter ist es sogar möglich, technisch etwas «nachzuhelfen». Während eines Auftritts ist prinzipiell keine Wiederholung möglich. Aufgrund der nahezu perfekten Spielqualität, die man auf den Musikkonserven genießen kann, stehen die Musiker unter erheblichem Erfolgsdruck, genauso gut wie auf der Konserve zu spielen. Viele Musiker definieren sich selbst weitgehend über ihre musikalischen Fertigkeiten. Musizieren ist Teil ihrer Persönlichkeit. Daraus gewinnen sie auch die ungeheure Motivation für das immense Training. Allerdings gibt es wohl kaum einen Beruf, bei dem die Qualität der Leistung ständig so überprüfbar ist, wie bei dem des Musikers. Das bedeutet, dass Leistungseinbußen auch den beruflichen Status und das Fortkommen gefährden können. Dieser erhebliche Leistungsdruck hinterlässt natürlich bei den Musikern seine Spuren.
    Die mit dem Musizieren verbundenen Ängste können subtil und schleichend sein, resultieren jedoch mehr oder weniger zwangsläufig in körperlichen Beschwerden, die schließlich unter Umständen zu Berufsbehinderungen führen können (Kesselring, 2006). Ein eindrücklichesBeispiel für eine typische Spielangst ist die folgende Äußerung einer Musikerin: «
Die Aufführung ging furchtbar lange – ‹Die Meistersinger›
[Oper von Richard Wagner; Anm. des Autors]
gehörten seit Beginn des Orchesterpraktikums für mich zu den Stücken, die mich immer beunruhigten, wenn sie auf dem Spielplan standen. Zudem hatte ich mich auch schon den ganzen Tag nicht ganz auf der Höhe gefühlt, eine Erkältung war im Anmarsch. Schon am Ende des zweiten Aktes tat mir die linke Schulter weh. In der Pause versuchte ich, mich zu entspannen, machte einige Dehnübungen und legte mich auf die Bank. Aber schon nach wenigen Takten des dritten Aufzuges fing die linke Schulter an, richtig zu brennen. Ich hielt mein Instrument tiefer, spielte auf Sparflamme – bloß durchhalten! Aber dann dache ich an das Probespiel, das ich Ende der Woche machen sollte, und es kroch die Angst in mir hoch, dass ich alles nicht schaffen würde ….»
(Barbara, Bratscherin im Orchesterpraktikum; erschienen in: Das Orchester, Heft 7/8,

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