Macht Musik schlau?
Nachteil in sich bergen, dass die Zuhörer die Musik als unnatürlich empfinden und deshalb «Hörgewohnheiten» eingesetzt werden, die eher untypisch für das «natürliche» bzw. gewohnte Musikhören sind. Um diesem Einwand entgegenzuwirken, hat der Leipziger Neurowissenschaftler Stefan Koelsch einen ähnlichen Versuch konzipiert, bei dem er allerdings in Ergänzung zu der kanadischen Studie «echte» Musikstücke gewählt hat. Die «angenehmen» Musikstücke waren Instrumentalstücke, die als Tanzmusik klassifiziert werden können. Als unangenehme Musikstücke wurden die Instrumentalstücke elektronisch so manipuliert, dass sie permanent dissonant waren und demzufolge von den Versuchspersonen als unangenehm eingeschätzt wurden. Diese technische Manipulation erlaubt eine bessere experimentelle Kontrolle der verwendeten Musikstücke, denn sie sind ja im Hinblick auf eine Reihe von akustischen Kennwerten (Rhythmus, Dauer, Lautstärke) identisch, nur nicht im Hinblick auf Konsonanz und Dissonanz. Anders als die kanadische Arbeitsgruppe setzte Stefan Koelsch die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ein, die prinzipiell auch Durchblutungsänderungen im Gehirn misst. Bei der Darbietung der angenehmen Musik ergaben sich wiederum Durchblutungszunahmen im ventralen Striatum und im Inselgebiet. Unangenehme (dissonante) Musik dagegen, evozierte Durchblutungszunahmen in den Mandelkernen und im parahippokampalen Hirnbereich. Stefan Koelsch konnte die Befunde der kanadischen Arbeitsgruppe um Blood und Zatorre mittels natürlicher Musikreize bestätigen. In Abbildung 49 sind die Hirnstrukturen dargestellt, welche bei der Darbietung sehr angenehmer Musik aktiv sind.
Neben den Hirnaktivierungen, die in diesem Verstärkungsnetzwerk zu finden sind, konnten auch Aktivierungen in anderen Hirngebieten festgestellt werden, die eher weniger mit emotionalen Reaktionen zu tun haben. So zeigte die Arbeit von Stefan Koelsch, dass auch Hirngebieteaktiv wurden, die an der Vorstellung von Bildern und Ereignissen beteiligt sind. Auf diesen Punkt werde ich in Kapitel 7 noch einmal zu sprechen kommen. Ich möchte mich an dieser Stelle mehr auf die emotionalen Aspekte konzentrieren. Hierzu erlaube ich mir, noch drei EEG-Untersuchungen zu erwähnen, welche die bislang berichteten Befunde zur emotionalen Verarbeitung von Musik ergänzen. Eckart Altenmüller und seine Kollegen untersuchten in einer 2002 erschienenen EEG-Arbeit, ob typische elektrophysiologische Aktivitätsmuster im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Musikstücken unterschiedlicher Valenz festgestellt werden können (Altenmüller, Schürmann, Lim und Parlitz, 2002). Hierzu haben sie den Versuchspersonen 160 Musikstücke unterschiedlicher Musikgattungen vorgespielt (Jazz, Rock, Klassik und Pop) und diese Musikstücke hinsichtlich ihrer Valenz (ob die Musik gefällt oder nicht) bewerten lassen. Während der Musikpräsentationhaben die Forscher dann die elektrische Hirnaktivität am Schädel gemessen. Zunächst einmal konnten sie feststellen, dass die elektrischen Aktivitäten während des Hörens unterschiedlicher Musikgattungen mehr oder weniger identisch waren, was man grob gesagt als einen Hinweis dafür werten könnte, dass Musik unterschiedlicher Musikgattungen nicht zwangsläufig unterschiedliche Hirnaktivierungen hervorrufen muss. Dieser Hinweis sei mir gestattet, da immer noch sehr häufig gerade im pädagogischen Kontext darauf verwiesen wird, dass z.B. klassische Musik per se spezifische Hirnaktivierungen hervorrufe. Oft ist mit diesem Hinweis auch implizit die Idee verbunden, dass moderne Musik «hirnlos» ist und «verdummt». Wie auch immer, hirnphysiologisch gibt es für diese Vermutung keinen Beleg. Es kommt vielmehr darauf an, welchen Hörzugang wir für die entsprechende Musik wählen (s. oben). Kehren wir aber zur Studie von Eckart Altenmüller und seinen Kollegen zurück. Er fand markante Aktivierungsunterschiede zwischen Musik, die man mag, und Musik, die man nicht mag. Hits, also Musik, die man mag, evozierten eine stärkere linksseitige Hirnaktivierung (im Stirnhirn und Scheitellappen) während Musik, die weniger gut bewertet wurde, ein Aktivierungsmuster hervorrief, das auf beiden Hemisphären mehr oder weniger gleich stark aktiv war. Dass bei angenehmer Musik eher linksseitige Aktivierungen festzustellen waren,
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