Macht Musik schlau?
dass Musikunterricht auf Kosten anderer Unterrichtsinhalte grundsätzlich einen fördernden Einfluss auf die Schulleistungen in Mathematik, Deutsch und Französisch hat. Darauf weisen die Autoren im Ãbrigen explizit hin. Interessant ist auch, dass in Bezug auf die Intelligenzentwicklung keine Unterschiede festgestellt werden konnten.
3.3.2
Die Bastian-Studie
Die Bastian-Studie ist eine Langzeitstudie, welche unter der Leitung des Frankfurter Musikpädagogen Prof. Dr. Hans Günther Bastian erstellt wurde (Bastian et al., 2000). Einige Monate vor dem Erscheinen des Buches berichtete bereits die Tagespresse intensiv über das Buch und dieBefunde. So wurde bereits über dpa (Juni 2000) die Schlagzeile «Musik macht Kinder intelligenter» verbreitet. Weitere Vorabveröffentlichungen in der Presse und entsprechende Rundfunkinterviews lieÃen hohe Erwartungen aufkommen. Insbesondere wurde der Eindruck erweckt, dass verstärkter Musikunterricht die Intelligenzleistungen von Grundschulkindern fördern würde. Ãhnlich wie die oben erwähnte Schweizer Schulstudie fand auch diese Arbeit nie den Weg in die wissenschaftliche Literatur, weder in einer begutachteten englisch- noch deutschsprachigen Zeitschrift. Die Daten wurden als Buch auf mehr als 600 Seiten veröffentlicht. Die Darstellung der Ergebnisse, Theorien und Fragestellungen ist recht durcheinander und immer mit Anekdoten und Zwischeninterpretationen gefüllt. Insgesamt ist dies ein schwer zu lesendes Werk, das nur wenige Leser wirklich ernsthaft und mit tiefem Verständnis gelesen haben dürften. Dieses Buch bzw. die plakativen Schlussfolgerungen haben allerdings eine besondere Breitenwirkung entfaltet und tun dies immer noch.
In dieser Studie wurde die Entwicklung von Kindern an Grundschulen mit verstärktem Musikunterricht im Vergleich zu Kindern an Schulen mit regulärem Musikunterricht untersucht. Vom Schuljahr 1992/93 bis zum Schuljahr 1997/98 untersuchten Prof. Bastian und seine Mitarbeiter die Schüler (Alter sechs bis zwölf Jahre) von sieben Berliner Grundschulen und verglichen hierbei Schüler mit verstärktem Musikunterricht mit Schülern mit regulärem Musikunterricht. Untersucht wurden Sozialverhalten, IQ und Konzentrationsfähigkeit, Geschwindigkeit der symbolischen Informationsverarbeitung, räumlich-visuelles Vorstellungsvermögen und verbal-logisches Denken. Von den untersuchten 170 Kindern erhielten 123 Kinder zusätzlichen Musikunterricht und 47 nicht. Im Verlauf der Untersuchung sind allerdings recht viele Kinder «ausgestiegen», so dass lediglich die Daten von zirka 125 Kindern zur Verfügung standen. Einige Analysen erfolgten jedoch mit erheblich weniger Daten. Nicht alle psychologischen Tests kamen bei allen Kindern zur Anwendung, so dass bei den Analysen der verschiedenen Tests teilweise erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die StichprobengröÃen vorliegen (z.B. für die Intelligenztests). Auffällig ist vor allem, dass in diese Analysen zwei- bis fast dreimal mehr Daten von Kindern einflossen, die zusätzlichen Musikunterricht erhalten hatten. Aus den präsentierten Ergebnissen ist ferner nicht ersichtlich, ob die Autoren angemessene statistische Verfahren eingesetzt haben, um die doch erheblichen Unterschiede hinsichtlich der GruppengröÃen zumindeststatistisch zu kontrollieren. 6 Wie auch immer, Bastian und Kollegen glauben mit ihrer Studie herausgefunden zu haben, dass Schulkinder, die Musikunterricht erhalten, mit der Zeit auch bessere Intelligenzleistungen erbringen. Gleichzeitig wird auch berichtet, dass sich verschiedene Aspekte des Sozialverhaltens «sensationell» verbessert hätten.
Es ist eigentlich erschreckend, wie euphorisch die Ergebnisse dieser Arbeit damals in der Presse aufgenommen worden sind. Wenn man die späteren ÃuÃerungen von Hans Günther Bastian liest, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass ihm die Euphorie auch ein wenig unangenehm war und er ein solches Medienecho nicht vorhergesehen hatte und sicherlich auch nicht vorhersehen konnte. Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen fallen gelegentlich vom Baum der Erkenntnis in einen Pressesumpf, aus dem sie nie wieder herauskommen. Wir haben ja ein ähnliches Phänomen schon im Zusammenhang mit dem «Mozart-Effekt» beobachtet. Ein häufig gebrauchtes Schlagwort im Zusammenhang mit den Befunden der Bastian-Studie ist: «Musik
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