Macht Musik schlau?
macht intelligent», das in vielen populärwissenschaftlichen Zeitschriften aber auch in der Tagespresse (z.B.
Eltern
,
Spiegel
,
Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ]
,
Tageszeitung [TAZ]
,
Neue Zürcher Zeitung [NZZ]
etc.) begierig aufgegriffen wurde. Man muss Bastian zugute halten, dass er sich später eindeutig von diesen Pressemeldungen distanziert hat. 7 Interessant ist ferner, dass die marktschreierischen Pressemeldungen die Ergebnisse dieser Studie auch nicht korrekt wiedergeben. Die Autoren selbst waren bei der Titelwahl ihres Buches, in dem sie die Befunde darstellen, eigentlich eher nüchtern zurückhaltend und gaben ihm den Titel: «Musik(erziehung) und ihre Wirkung. Eine Langzeitstudie an Berliner Grundschulen». Im Jahr darauf publizierte Bastian eine Kurzfassung mit dem vielversprechenden Titel: «Kinder optimal fördern â mit Musik».Die Aussage dieses Artikels ist allerdings im Vergleich zum Presseecho eher bescheiden (Bastian, 2001). 8
Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass diese Studie gerade in den deutschsprachigen Ländern eine enorme «Breitenwirkung» entfaltet hat. Ich könnte mir gut vorstellen, dass viele deutsch sprechende Musikpädagogen zumindest die Kurzversion der Studienbesprechung gelesen hat. Die Bastian-Studie (wie sie fortan heiÃt) hat ihren Platz als Lexikoneintrag im Internet-Lexikon Wikipedia gefunden. Es sind mehrere Diplomarbeiten alleine über die Ãffentlichkeitswirksamkeit dieser Arbeit verfasst worden, und es existieren nicht unerheblich viele Internetseiten über alle möglichen Aspekte der Bastian-Studie. Man darf aber auch nicht vergessen, dass diese Studie auÃerhalb des deutschsprachigen Raumes zumindest im Wissenschaftsbereich (was die kognitive Psychologie oder die kognitiven Neurowissenschaften betrifft) überhaupt nicht bekannt ist. Im Wesentlichen natürlich auf Grund der Tatsache, dass die Befunde nie in einem englischsprachigen Journal publiziert worden sind. Ich vermute allerdings, dass es auch nicht einfach gewesen wäre, diese Daten in einer begutachteten Zeitschrift zu veröffentlichen. Dennoch wird zumindest die Kurzfassung von Hans Günther Bastian von einem Rezensenten bei Amazon als «Meilenstein der Entwicklung» 9 gewertet. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Zeilen fanden «35 von42 Amazon-Kunden diese Rezension hilfreich», wahrscheinlich ohne die Inhalte der Originalarbeit wirklich zu kennen und angemessen einschätzen zu können.
Wenden wir uns einmal so sachlich wie möglich den Befunden zu und schauen wir uns die Ergebnisse etwas genauer an. Insgesamt haben die Autoren 32 psychologische Tests (laut Anhang des Buches) im Verlauf dieses Projektes angewendet. Darunter mehrere Intelligenztests, Konzentrations- und Aufmerksamkeitstests und verschiedene Tests zum Messen des Sozialverhaltens. Des Weiteren wurden auch Beobachtungen zur Musikalität und Musikkreativität gemacht. Auf alle berichteten Befunde kann an dieser Stelle nicht detailliert Bezug genommen werden. Ich werde mich insbesondere auf die Befunde bezüglich der Intelligenz und des Sozialverhaltens konzentrieren.
Zur Messung der Intelligenz haben die Autoren zwei Tests verwendet: Den kulturfreien Intelligenztest CFT und das
Adaptive Intelligenzdiagnostikum
(abgekürzt AID). Schauen wir uns die Befunde bezüglich des kulturfreien Intelligenztests CFT 10 etwas genauer an. Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Autoren in ihren Analysen den Sozialstatus der Kinder berücksichtigt haben, so dass die Ergebnisse bzgl. des CFT unabhängig von sozialen Einflüssen sind. Hier zeigt sich, dass beide Gruppen (jene mit und jene ohne Musikunterricht) in den ersten zwei Jahren mehr oder weniger identische Intelligenztestleistungen erzielten. Lediglich im vierten und letzten Jahr verbessern sich die Kinder mit zusätzlicher Musikunterweisung im Hinblick auf den IQ von 105 auf 111 Punkte. Anders ausgedrückt heiÃt das, dass die Kinder mit zusätzlicher Musikausbildung eine IQ-Verbesserung von 6 Punkten innerhalb von zwei Jahren aufwiesen. Die Autoren bezeichnen diese IQ-Zunahme von 6 Punkten als einen «explosiven Effekt» (S. 273), was angesichts der eigentlich mäÃigen Effekte und weiterer Probleme als übertrieben angesehen werden kann. Schaut man sich die IQ-Entwicklung der Kinder ohne zusätzlichen Musikunterricht an, dann erkennt man, dass dieseKinder
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