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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Bastian-Studie vermieden worden. Die berichteten Befunde wären bei angemessener Korrektur allesamt (!) nicht mehr statistisch signifikant. Insofern bleibt am Ende große Ernüchterung, aber auch Klarheit für zukünftige Arbeiten.
    Abschließend erlaube ich mir noch, darauf hinzuweisen, dass neben den bereits erwähnten Problemen der Bastian-Studie noch weitere Problemen existieren, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehen möchte und kann. An anderer Stelle sind diese Studie und ihre Darstellung bereits ausführlich kritisch rezensiert worden (z.B. Bruhn 2001, Spychiger 2003). Auch Musikpädagogen kommen deshalb zu dem Schluss, dass diese Studie weder im Hinblick auf die Studienplanung, noch auf die Auswahl der Testverfahren, die Auswertung oder die Ergebnisdarstellung und auch nicht im Hinblick auf die Interpretation der Befunde geeignet ist, die Wirkung von Musikunterricht auf andere intellektuelle Leistungen zu belegen. So kommt der Musikpädagoge Bruhn (2001) zu dem Schluss, der sich gänzlich mit meinen Einschätzungen deckt, dass «über die wenigen Effekte hinaus» sich «Modell- und Kontrollgruppe kaum als unterschiedlich» erweisen. «Wenn irgendetwas nachgewiesen wurde, so sind es Zeiteffekte oder geschlechtsspezifische Unterschiede, die jedoch oft signifikant sind. Die Hauptaussage der Studie von Bastian und seinen Mitarbeitern müsste also lauten: Schüler und Schülerinnen entwickeln während der Grundschulzeit intellektuelle, soziale und musikalische Fähigkeiten. Mädchen und Jungen entwickeln sich in vielen Teilbereichen unterschiedlich.» Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
    3.4
    Zusammenfassung und kritische Würdigung
    â–     Fast alle Längsschnittuntersuchungen thematisieren, dass zusätzlicher Musikunterricht einen günstigen Einfluss auf schulische Leistungen, verschiedene kognitive Funktionen (insbesondere das sprachliche Gedächtnis) oder auf verschiedene Intelligenzmaße haben kann.
    â–     Problematisch ist allerdings, dass die meisten Längsschnittstudien erhebliche methodische Mängel aufweisen, die es nicht erlauben, diespezifische Wirkung des Musikunterrichts zu belegen. Der wesentlichste Grund dafür ist, dass fast alle Studien keine angemessenen Kontrollgruppen verwendet haben. Die meisten Längsschnittstudien haben im Grunde nur geprüft, ob zusätzlicher Musikunterricht einen fördernden Effekt hat. In einigen Studien konnte dies bestätigt werden. Ob aber zusätzlicher Unterricht in anderen Inhaltsgebieten auch einen fördernden Effekt hat, wurde bislang nie thematisiert. Insofern ist überhaupt nicht auszuschließen, dass zusätzlicher Schach-, Sport- oder Sprachunterricht nicht auch positive Wirkungen entfalten kann (Schumacher, 2006).
    â–     Die Untersuchung der chinesischen Forschergruppe von der
Hong Kong University
zeigt sehr überzeugend, dass Kinder mit Musikunterricht nach einem Jahr bessere verbale Gedächtnisleistungen erbringen. Allerdings muss dieser Effekt für Kinder aus Zentraleuropa und den USA erst noch nachgewiesen werden. Der Grund ist, dass die chinesische Sprache als tonale Sprache im Hinblick auf die auditorischen Verarbeitungsgrundlagen viele Ähnlichkeiten mit der auditorischen Verarbeitung der Musik aufweist.
    â–     Die Untersuchung des Kanadiers Schellenberg ist die derzeit im Hinblick auf die Methodik beste Studie. Die Auswahl der Versuchspersonen erfolgte zufällig, so dass ein wesentliches Kriterium für die Gestaltung von Experimenten erfüllt ist. Des Weiteren hat Schellenberg neben den experimentellen Gruppen mit speziellem Musiktraining auch zwei Kontrollgruppen eingeführt. Ein davon hat anstatt des Musikunterrichts Schauspielunterricht erhalten. Die Musikschüler (Klavier oder Gesang) steigerten ihren IQ im Durchschnitt um 7 Punkte, während die Kinder mit Schauspielunterricht lediglich eine Steigerung des IQs um 4 Punkte aufwiesen. Die besseren IQ-Leistungen der «Musikschüler» sind zwar signifikant, aber in der Größenordnung eher gering.
    â–     Es ist nicht auszuschließen, dass die intensive Betreuung der «Musikschüler» in der Schellenberg-Studie die wesentliche Quelle des fördernden Effektes ist. Es bleibt also abzuwarten, ob nicht auch zusätzlicher Unterricht in anderen Fächern und Bereichen zu ähnlich günstigen

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