Macht Musik schlau?
Lehrer beurteilen das Sozialverhalten der Schüler mit Musikunterricht durchweg positiver. Die positive Einschätzung des Sozialverhaltens durch die Lehrer verstärkt sich sogar im Verlauf des Projektes.
Diese und die oben dargestellten (teilweise statistisch schwachen) Befunde über die soziale Kompetenz müssen nicht zwangsläufig direkt aufgrund des Musikunterrichts entstanden sein. Sie können sich auch im Verlauf der Studie durch der Interaktion mit den Lehrern entwickelt haben. Die Lehrer könnten den Musikunterricht schätzen und die Kinder demzufolge auch anders behandeln, was wiederum einen Einfluss auf das Verhalten der Kinder hätte. Wie auch immer â alles ist Spekulation, aber es bleibt unklar, woher die in der Bastian-Studie berichteten Effekte kommen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht den Eindruck erwecken, dass ich beabsichtige, ein Denkmal zu zerstören. Mir geht es vielmehr darum, die wirklichen Möglichkeiten von Musik und Musikunterricht auf verschiedene kognitive Fähigkeiten genau herauszuarbeiten. Ich bin durchaus überzeugt, dass es Wechselwirkungen gibt. Nur wenn man die Wirkmechanismen deutlich darlegen und auch statistisch belegen kann, ist man gegen Kritik abgesichert. Da beginnt genau das Problem der Bastian-Studie: Sie weist fundamentale statistische Probleme auf. Teilweise habe ich sie oben bereits angedeutet. Ein wichtiges statistisches Problem möchte ich hier abschlieÃend noch erwähnen.
In dieser Studie sind sehr viele statistische Analysen für viele Variablen berechnet worden. Das Wesen eines statistischen Tests besteht darin, dass man überprüft, ob ein Ergebnis per Zufall entstanden ist oder nicht. Aus diesem Grunde berechnet man, wie wahrscheinlich ein Unterschied ist. Im vorliegenden Fall berechnet man, wie wahrscheinlich eine bestimmte Differenz in einem psychologischen Test zwischen den beiden Schulgruppenist. Je gröÃer die Differenz im Verhältnis zur Streuung (also Variabilität der gemessenen Daten), desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese Differenz per Zufall entstanden ist. Es können auch per Zufall Unterschiede auftreten, z.B. weil in einer Klasse per Zufall besondere Kinder sind, oder weil ein Lehrer in einer Klasse aus welchen Gründen auch immer einen anderen Unterricht macht als die Lehrer in den anderen Klassen. Um sich vor solchen Zufallseinflüssen zu schützen, macht man statistische Tests. Aus dem Blickwinkel der Mathematik kann man jeden statistischen Test als ein Würfelspiel auffassen. Betrachtet man die statistische Testung, welche in der Bastian-Studie gewählt wurde, muss man berücksichtigen, dass sehr viele statistische Tests durchgeführt wurden. In dieser Studie wurden etwa 32 psychologische Untersuchungsverfahren eingesetzt. Teilweise wurden für die einzelnen Untersuchungsverfahren noch Untertests gesondert ausgewertet und statistisch analysiert. Es sind also sehr viele statistische Tests berechnet worden. Ich habe sie nicht genau gezählt, aber es sind weit mehr als 30 statistische Tests. Ich werde das Problem des statistischen Testens von vielen Variablen nachfolgend anhand eines Würfelspiels zu erklären versuchen.
Wie bereits erwähnt, muss man jede einzelne statistische Analyse wie ein Würfelspiel auffassen. Die Wahrscheinlichkeit, beim einmaligen Würfeln eine Sechs zu würfeln, ist 1/6 (p = 0,16). Wenn Sie allerdings 30mal würfeln, steigt die Wahrscheinlichkeit, zumindest einmal eine Sechs zu würfeln, erheblich an. Irgendwann wird es sogar extrem unwahrscheinlich,
keine
Sechs zu würfeln. Das heiÃt, Sie werden ganz sicher irgendwann einmal eine Sechs würfeln. Ãberträgt man das auf die statistischen Analysen der Bastian-Studie, muss man jede statistische Ãberprüfung einer Variable wie ein Würfelspiel auffassen. Das bedeutet, dass bei 30 Variablen und 30 statistischen Tests irgendwann einmal irgendeine Variable per Zufall ein signifikantes Ergebnis ergeben muss! Anders ausgedrückt: Bei der Anlage der statistischen Ãberprüfung der Daten aus der Bastian-Studie wäre es extrem unwahrscheinlich, kein statistisch signifikantes Ergebnis zu erhalten. In der Regel versucht man, sich vor solchen Zufallseffekten zu schützen, indem man die statistischen Tests entsprechend ihrer Anzahl «korrigiert» 13 . Im Prinzip bedeutet dies, dass jeder einzelne Test konservativer gestaltet wird. Genau das ist inder
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