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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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möglich «vergleichbar» gemacht werden. Das heißt, dass sich die Gruppen nur im Hinblick auf die unterschiedliche Musikerfahrung unterscheiden, in anderen und wichtigen Variablen allerdings nicht. So müssen Geschlecht, Alter, intellektuelle Grundleistungen (z.B. Intelligenz), sozioökonomischer Status, eigenes Einkommen, familiäres Einkommen (und vieles mehr) kontrolliert werden. Wichtig ist, dass sich die zu vergleichenden Gruppen nicht in diesen Kontrollvariablen unterscheiden. Im Folgenden sollen Querschnittuntersuchungen besprochen werden, in denen untersucht wird, ob Musiker (bzw. Personen mit Musiktraining) neben ihren musikalischen Fertigkeiten auch Vorteile in kognitiven und motorischen Fertigkeiten aufweisen, die prinzipiell erst einmal nicht mit Musik in Verbindung gebracht werden.
    4.1
    Musik und Gedächtnis
    Wenn ich Konzerte besuche, bin ich manchmal erstaunt, was die Musiker alles behalten können. Sie spielen stundenlang und scheinen alles spielend einfach aus dem Gedächtnis abzurufen. Ganze Klaviersonaten werden abgerufen. Letztens hörte ich einen Pianisten, der sämtliche Préludes von Frédéric Chopin ohne Mühe auswendig spielte. Auch moderne Sänger und Popgruppen leisten eigentlich psychologische Spitzenleistungen. Vielleicht wird dies anhand der Leistung eines modernen Pophelden wie Robbie Williams eindrücklich. Auf seinen Konzerten singt er im Durchschnitt das Repertoire von zwei CDs, also ungefähr 20 Lieder. Hierbei singt er den Text, hält die Melodie und macht dazu noch irgendwelche Verrenkungen. Im Grunde sind dies hervorragende Gedächtnisleistungen, die teilweise unter hoher Anspannung vollbracht werden. Wenn man diese Gedächtnisleistungen betrachtet, fragt man sich zwangsläufig, ob diese Gedächtnisleistungen auch einen Einfluss auf andere Bereiche haben. Konkret ergibt sich die Frage, ob Robbie Williams auch besser ein Gedicht oder andere Texte lernen könnte, als ein Nichtmusiker. Dieser Frage werde ich mich in diesem Kapitel etwas ausführlicher widmen.
    Eine Gruppe von Psychologen der
Chinese University of Hong Kong
überraschte 1998 mit einer aufsehenerregenden Arbeit, welche sie in der angesehenen Zeitschrift Nature publizierten (Chan, Ho und Cheung, 1998). In dieser Arbeit beschrieben die Autoren ein Experiment, in dem sie 60 Frauen untersuchten, welche unterschiedliche Musikerfahrungen aufwiesen. Dreißig Frauen hatten bis zum zwölften Lebensjahr mindestens sechs Jahre lang ein formales Musiktraining genossen. Dieses Musiktraining beinhaltete die praktische Unterweisung in der Handhabung eines Musikinstrumentes sowie eine musiktheoretische Grundausbildung. Die anderen 30 Frauen hatten kein formales Musiktraining erfahren. Die beiden Versuchsgruppen waren hinsichtlich des Alters, der Anzahl der allgemeinen Ausbildungsjahre und der erzielten Ausbildungsqualifikation mehr oder weniger identisch. Ansatzweise zeigte sich allerdings, dass die Frauen mit Musikunterricht etwas längere (ca. drei Monate) Ausbildungen (Schul- oder Universitätsunterricht) erhalten hatten.
    Bei diesen Frauen wurden verbale und visuelle Gedächtnisleistungen gemessen. Zur Erfassung der verbalen Gedächtnisleistung kam eine Wortliste mit 16 Wörtern zur Anwendung. Hierbei handelte sich umdie chinesische Version (
Hong Kong List Learning Test
) des sehr häufig verwendeten California Verbal Learning Tests oder des
Auditory Verbal Learning Tests
. Diese Liste wurde den Versuchspersonen dreimal nacheinander vorgelesen. Nach jedem Vorlesen erfolgte die Aufforderung, so viele Wörter wie möglich aus dem Gedächtnis zu wiederholen und sie dem Versuchsleiter mitzuteilen. Durch das dreimalige Vorlesen kann der Lernverlauf verfolgt werden. Zur Erfassung des visuellen Gedächtnisses kamen zehn einfache Bilder aus dem
Benton-Test
(Benton Visual Retention Test) zur Anwendung. Hierbei wurden den Frauen die zehn Bilder gezeigt, und sie mussten die Bilder dann aus dem Gedächtnis nachzeichnen. Auch hier erfolgte eine dreimalige Vorgabe, und man konnte den Lernverlauf über die drei Vorgänge verfolgen. Die Frauen mit theoretischer und praktischer Musikerfahrung erzielten in allen drei verbalen Testbedingungen bessere Gedächtnisleistungen als die Frauen ohne formale Musikausbildung. Im Hinblick auf das visuelle Gedächtnis konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden (s. Abb. 15 ). Um sicher zu sein,

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