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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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inkompatiblen Bedingung umso länger, je mehr sich die zu vergleichenden Töne in der Frequenz unterscheiden. Das bedeutet offenbar, dass die Größe des Frequenzunterschiedes zwischen zwei Tönen auch räumlich quasi als «Strecke» bzw. räumliche Distanz kodiert ist. Bei Personen mit Musikexpertise ist dieser Effekt besonders stark ausgeprägt (Rusconi, Kwan, Giordano, Umiltà und Butterworth, 2006) (vgl. Abb. 21 ).

    Abbildung 21 : SMARC-Effekt aus der Arbeit von Rusconi et al. (2006). Dargestellt ist die Reaktionszeitdifferenz zwischen den «unteren» und den «oberen» Tasten. Negative Reaktionszeitdifferenzen zeigen an, dass die Reaktionen mit den «oberen» Tasten langsamer sind. Positive Reaktionszeitdifferenzen zeigen an, dass die Reaktionen mit den «oberen» Tasten schneller sind. Die Grafik wurde anhand der Daten von Rusconi et al. (2006) neu erstellt. Am unteren Rand der Abbildung sind die Notenbezeichnungen für das Klavier dargestellt. Jede Note wird durch das Anschlagen einer bestimmte Taste generiert. A3#, G3#, F3#, E3 sind alles Tasten auf dem Klavier, die links von der Taste C4 lokalisiert sind. C4 ist das so genannte mittlere C (261,6 Hz), und liegt ungefähr auf der Mitte der Klaviatur. Die Tasten für D4, E4, F4# und G4# sind alle rechts neben der C4-Taste angeordnet.
    Insgesamt bleibt festzuhalten, dass einzelne Töne und Tonfolgen recht stark in unserem Gehirn räumlich repräsentiert sind. Anders ausgedrückt, es existiert eine enge räumliche Beziehung zwischen Tönen und zumindest einfachen räumlichen Zusammenhängen. Diese Beziehungen sind bei Musikern stärker ausgeprägt.
    4.3.2
    Finger – Noten – Zahlen
    Wozu benötigen wir eigentlich Rauminformationen? Im Wesentlichen nutzen wir Rauminformationen, um uns zu orientieren und unsere Handlungen zu steuern. Letztlich geht es darum, unsere Motorik zu steuern und unsere Bewegungen effizient zu gestalten. Eine eindrückliche motorische Störung, die infolge von Störungen in den Hirnmodulen zustande kommt, welche für Raumwahrnehmungsanalysen spezialisiert sind (insbesondere der Scheitellappen), ist die optische Ataxie. Hierbei können die Patienten ihre Hand- und Armbewegungen nicht mehr elegant an dem Bewegungsziel ausrichten. Wenn sie einen Brief in den Briefkasten einwerfen wollen, wird der Brief nicht horizontal entsprechend der Ausrichtung des Briefkastenschlitzes in der Hand gehalten, sondern vertikal. Dem Patienten wird dann die richtige Neigung seiner Hand erst durch Versuch- und-Irrtum bewusst: indem er direkt am Briefkastenschlitz ausprobiert und die richtige Position findet – oder auch nicht. Im Grunde zeigt dieses Beispiel aus der Klinik eindrücklich, dass Informationen aus dem Sehsystem mit unserer Motorik gekoppelt werden müssen, um effiziente zielorientierte Bewegungen zu ermöglichen. Wir nennen diese Kopplungen in der Fachsprache auch visuell-motorische Kopplungen, wenn wir von Kopplungen zwischen dem Seh- und Motorsystem sprechen. Es gibt auch andere, gerade für die Musik interessante Kopplungen. Ein interessantes Beispiel sind die Kopplungen zwischen Gehör und motorischen Funktionen (audio-motorische Kopplungen). Im Zusammenhang mit dem Musizieren haben gerade die visuell-motorischen Kopplungen (also Kopplungen zwischen dem Sehen und den motorischen Funktionen) eine besondere Bedeutung. Wenn ein Pianist vor seinem Klavier sitzt und fünf nahe beieinander liegende Tasten nacheinander niederdrücken soll, muss er jeder Taste eine Fingerbewegung zuordnen. Der Pianist wird dies durch Zuordnung des Notennamens (der ja für ihn mit jeder Taste fest assoziiert ist) zu dem jeweiligen Finger rechteinfach und elegant lösen. Ein Nichtmusiker wird diesbezüglich schon etwas mehr Schwierigkeiten haben und versuchen, sich am Beginn und Ende der jeweiligen Tastenfolge zu orientieren. Beides sind Beispiele wie visuell-räumliche Informationen genutzt werden, um die Motorik zu steuern. Das heißt wir brauchen für das Musizieren unbedingt den Rückgriff auf Rauminformationen, um die Instrumente angemessen bedienen zu können. Allerdings ist die Zuordnung nicht «gottgegeben», sondern hängt sehr stark von der jeweiligen Expertise ab.
    Vor einigen Jahren haben Lauren Stewart und ihre Kollegen aus London zwei interessante Experimente diesbezüglich publiziert. In der ersten Studie haben sie untersucht, ob bei

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