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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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hinweisen, dass der Zusammenhang zwischen Musikfertigkeiten und räumlichen Funktionen grundsätzlich gering ist. Vielleicht ist der Zusammenhang mit der einen räumlichen Funktion größer als mit einer anderen. Ein anderer kritischer Einwand besteht darin, dass in vielen Untersuchungen die Wahl der Kontrollgruppen verhindert, einen spezifischen Effekt desMusizierens zweifelsfrei festzustellen. Es mag sein, dass auch andere Tätigkeiten als Musik räumliche Fertigkeiten in ähnlicher Weise verbessern. Das soll die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Musikfertigkeiten und räumlich-visuellen Analysefunktionen nicht schmälern. Musik hat sicherlich nicht alleinigen Anspruch, sich günstig auf diese Fähigkeitsbereiche auszuwirken. Aber dass Musik überhaupt in einem solchen Zusammenhang gesehen wird, ist schon interessant.

    Abbildung 20: Ergebnisse der Arbeit von Hassler (1990). Auch hier sind die taktilen Erkennensleistungen jeweils mit der rechten (RH) und linken (LH) Hand dargestellt. Man erkennt leichte Vorteile für die Musiker.
    Problematisch bleibt allerdings ein Einwand, der für viele der in der Metaanalyse eingegangenen Untersuchungen zutrifft. Häufig werden Musikgeschulte mit Nichtgeschulten verglichen, und es wird nicht berücksichtigt, dass die Musikgeschulten einfach den Musikunterricht zusätzlich erhalten hatten und somit mehr formalem und konzentriertem Unterricht ausgesetzt waren als die Kontrollgruppen. Insofern könnte alleine die zusätzliche Lernbeschäftigung unabhängig vom Inhalt einen fördernden Effekt ausgeübt haben. Um dieses Argument zu entkräften, müsste man den genauen Wirkungszusammenhang zwischen bestimmten Aspekten des Musizierens und den räumlichen Leistungen herausarbeiten. Genau dazu gibt es einige neue Untersuchungen, die ich im Folgenden darstellen werde.
    4.3.1
    Der SMARC-Effekt
    Dass wir im Zusammenhang mit Musik- und Tonwahrnehmung auch den Eindruck von Raumwahrnehmungen haben, ist bereits seit langem bekannt. Schon die «alten» Hör- und Musikpsychologen Carl Stumpf (1848–1936) und Carroll C. Pratt haben mit ihren ersten Experimenten darauf hingewiesen. Hochfrequente Töne werden zumindest für Menschen, die Erfahrung mit unserem Musiksystem haben, als «oben» bzw. «hoch» lokalisiert empfunden. Komplementär dazu werden niedrig-frequente Töne als «niedrig» bzw. «unten» platziert wahrgenommen. Bestimmte Tonfolgen erwecken bei uns automatisch Bewegungswahrnehmungen. Dies kann man recht einfach ausprobieren, indem man auf einem Klavier nacheinander beispielsweise das tiefste und das höchste C anschlägt und unmittelbar den Eindruck einer Aufwärtsbewegung hat. Carroll Pratt hat auch noch weitere sehr eindrückliche Beispiele für den Zusammenhang zwischen wahrgenommener Tonhöhe und Raumwahrnehmungen vorgelegt. So hat er seine Versuchspersonen vor einemversteckten Lautsprecher platziert und ihnen Töne unterschiedlicher Frequenz vorgespielt (256, 512, 1024, 2048, 4096 Hz). Die Versuchspersonen sollten die vertikale Position dieser Töne auf einer Skala angeben. Alle Versuchspersonen haben die Töne exakt nach ihrer Tonhöhe von «oben» nach «unten» angeordnet: die hohen Töne «oben» und die tiefen Töne «unten». Diese Untersuchungen wurden immer ein wenig kritisiert, da ja die Versuchspersonen explizit darauf hingewiesen wurden, dass sie auf Zusammenhänge zwischen der Tonhöhe und Rauminformationen achten sollten. In neueren Experimenten untersucht man diesen Zusammenhang experimentell viel intelligenter, insbesondere um die bewusste Aufmerksamkeit von dem interessierenden Zusammenhang abzulenken.
    Das dafür verwendete Paradigma gehört zu der Gruppe der
Reiz-Reaktions-Kompatibilitäts-Paradigmen
. Im Englischen werden diese Paradigmen als
Stimulus-Response-Compatibility
- (SRC-) -Paradigmen bezeichnet. Diese Paradigmen wurden und werden sehr häufig in arbeitspsychologischen Untersuchungen, aber auch in der Grundlagenforschung eingesetzt. Das Grundprinzip besteht darin, dass den Versuchspersonen ein Reiz präsentiert wird und sie so schnell wie möglich zu reagieren haben. Es werden allerdings «künstliche» Probleme eingebaut, welche im Endeffekt die Reaktionszeiten beeinflussen. Je weniger kompatibel Reiz und Reaktionen sind, desto länger sind die Reaktionszeiten. Nehmen wir einmal an, Sie

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