Macht Musik schlau?
Töne, die im mentalen Raum bei Musikern (aber auch bei Nichtmusikern) unten angeordnet sind.
Ein ähnliches Experiment haben Renaud Brochard und Kollegen publiziert (Brochard, Dufour und Després, 2004). Auch hier wurde derZusammenhang zwischen musikalischen Fähigkeiten und der räumlichen Wahrnehmung untersucht. Dazu wurden die Reaktionszeiten von erwachsenen Musikern und Nichtmusikern gemessen, deren Aufgabe darin bestand zu bestimmen, auf welcher Seite einer horizontalen oder vertikalen Linie auf einem Bildschirm ein Punkt aufleuchtete. Die Details des Versuchs will ich mir ersparen, kann aber festhalten, dass diese visuell-räumliche Aufgabe keinen direkten Bezug zur Musik zu haben scheint. Allerdings geht es hier prinzipiell um die gleichen Vertikal-horizontal-Zuordnungen, die ich bereits beschrieben habe. Insofern verwundert es nicht, dass die Reaktionszeiten der Musiker in diesem Test deutlich kürzer ausfielen als die der Nichtmusiker. Insgesamt bleibt festzuhalten,dass Töne und motorische Reaktionen in einem durch Erfahrung modifizierten Raum angeordnet sind. Diese Zuordnungen können Musikgeschulte besser und schneller vornehmen als Nichtmusiker.
Abbildung 22: Inkompatibilitäts-Effekte bei Pianisten und Nichtmusikern. Dargestellt sind die kumulierten Reaktionszeiten getrennt für jede Versuchsbedingung und getrennt für Pianisten und Nichtmusiker. Man erkennt, dass die Pianisten offenbar erheblich durch die Inkongruenzen «gestört» werden, was sich durch die längeren Reaktionszeiten zeigt. Die Grafik wurde anhand der Originaldaten aus der Publikation von Stewart et al. (2004) angefertigt.
SchlieÃlich soll noch erwähnt werden, dass diese räumlichen Zuordnungen von Noten zu entsprechenden Fingerbewegungen gelernt werden und mit groÃer Wahrscheinlichkeit in einem Hirngebiet abgelegt werden, das auf räumliche Verarbeitungen, aber auch auf visuellmotorische Transformationen spezialisiert ist. Lauren Stewart hat dies in einem schönen Experiment unter Verwendung der funktionellen Magnetresonanztomographie fMRT 20 zeigen können, in dessen Kontext Nichtmusiker innerhalb von 15 Wochen die Notenschrift lesen lernten und auch lernten, anhand der Notenschrift kurze Musikstücke zu spielen (Stewart et al., 2003). Nach dem erfolgreichen Training wurden im Scheitellappen beim Spielen vom Blatt aber auch beim Notenlesen ohne motorische Aktionen gesteigerte Durchblutungen gefunden (s. Abb. 23 ). Dieses Hirngebiet ist in die Kontrolle vieler visuell-räumlicher Funktionen eingebunden (Mast und Jäncke, 2007). Insofern könnte man durchaus vermuten, dass das Notenlesen wahrscheinlich durch neuronale Netzwerke kontrolliert wird, die einen hohen Ãberlappungsgrad mit neuronalen Netzwerken haben, die auch in die Kontrolle anderer visuell-räumlicher Funktionen eingebunden sind. Neben dem Scheitellappen sind auch noch weitere Hirngebiete aktiv, auf die ich an dieser Stelle im Detail nicht eingehen werde.
4.3.3
Musik und mentales Rotieren
Mentales Rotieren ist eine psychische Fähigkeit, die wir im Alltag sehr häufig einsetzen. Immer dann, wenn wir drei- oder zweidimensionale Objekte in eigentlich untypischen Positionen sehen, müssen wir diese Objekte «im Geiste» (also mental) drehen, um sie mit unseren prototypischen Vorstellungen des Objektes in Deckung zu bringen. Nehmen wir einmal an, Sie würden mit einem Taxi eine steile StraÃe hoch fahrenund währenddessen aus dem Fenster schauen und die Werbeinschriften betrachten, die an den Häusern und Geschäften angebracht sind. Sie werden die Schriften und dargestellten Objekte zwar leicht geneigt, also schief sehen, aber Sie werden sie trotzdem erkennen können. Dazu werden Sie sie mental, also in ihrer Vorstellung, drehen, um sie in die «richtige» Position zu bringen. Um mentales Rotieren im Experiment zu untersuchen, werden in der Regel Standardaufgaben verwendet. Eine beliebte Aufgabe wurde von den berühmten Kognitionspsychologen R. N. Shepard und J. Metzler aus Stanford entwickelt (Shepard und Metzler, 1971). Hierbei handelt es sich um Darstellungen von dreidimensionalen Klötzchen, die zu unterschiedlichen Figuren zusammengesetzt sind. Man präsentiert den Versuchspersonen eine solche Figur als Standardreiz und bietet dann als Vergleichsreiz eine andere dreidimensionale Figur an (s. Abb. 24 ). Die Aufgabe der Versuchsperson besteht dann darin zu entscheiden, ob
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