Macht Musik schlau?
Musikern infolge des Trainings eine feste und automatische Zuordnung zwischen den Notenzeichen und Fingerbewegungen existiert (Stewart, Walsh und Frith, 2004). Dies haben sie mittels eines intelligenten Experimentes bewerkstelligt, indem sie einen Konflikt zwischen Noten und Zahlen bei den Musikern auslösten. In fünf unterschiedlichen Versuchsbedingungen sahen die Versuchspersonen auf einem Computerbildschirm entweder eine Serie von fünf Zahlen oder fünf Noten mit Zahlen in den Noten platziert. Bei den Noten handelte es sich um die Noten G, A, B, C und D die auf einem typischen Notenblatt aufgezeichnet waren. In die Noten waren wie bereits erwähnt Zahlen von 1 bis 5 hineinkopiert. Die Versuchspersonen sahen während zirka vier Sekunden diese fünf Noten mit den Nummern, und sie sollten die Noten ignorieren und gemäà der Nummernfolge eine Fingerbewegungssequenz auslösen. Die Zahl 1 war mit dem kleinen Finger, die 2 mit dem Ringfinger, die 3 mit dem Mittelfinger etc. gekoppelt. Im Versuch liegt die Hand auf einer Klaviertastatur, wobei die Finger über den Tasten G, A, B, C und D platziert waren. Der kleine Finger befand sich über dem G, der Ringfinger über dem A, der Mittelfinger über dem B etc. Erschien auf dem Bildschirm eine Eins, sollte die Taste unterhalb des kleinen Fingers niedergedrückt werden. Die Zwei zeigte an, dass sie die Taste unter dem Ringfinger niederzudrücken hatten. Gemessen wurden die Reaktionszeiten für das Niederdrücken der Tasten. Die Autoren haben allerdings noch etwas Diabolisches eingebaut. In der kongruenten Bedingung stimmte die Nummer (und damit auch der zu nutzende Finger) mit der Note überein. Die Eins war im G eingebettet und die Fünf im D. Das bedeutet, wenn im G eine Eins dargestellt ist, stimmt die Position des Fingers mit der Zuordnung zur Zahl überein. Also die Eins zeigt der Versuchsperson an, dass sie den kleinen Finger zum Tastendruck benutzen soll. Gleichzeitig sieht sie diese Zahl in demNotenzeichen G präsentiert. Auch beim Spielen der Note G würde der Pianist in diesem Fall den kleinen Finger nutzen. In diesem Fall besteht eine Ãbereinstimmung zwischen der Zuordnung von Zahl zu Finger und Finger zu Note. In den inkongruenten Bedingungen waren die Zahlen zufällig in die Noten eingebettet. So konnte z. B. die Zahl 1 über dem B platziert sein oder die 5 über dem G. In einer anderen Bedingung war die Zuordnung umgekehrt, was bedeutet, dass über dem G die Fünf und über dem D die Eins platziert war.
Nichtmusiker haben mit diesen Variationen überhaupt keine Probleme, denn sie verstehen die Notenzeichen ja gar nicht. Insofern sind ihre Reaktionszeiten in allen Bedingungen mehr oder weniger identisch. Anders bei den Pianisten, sie werden erheblich in den inkongruenten Bedingungen gestört, was sich an den verlängerten Reaktionszeiten ablesen lässt (s. Abb. 22 ). Offenbar wird bereits unbewusst beim Sehen einer Note der über der entsprechenden Taste liegende Finger angesprochen und muss aktiv gehemmt werden, um die durch die Nummer geforderte Fingerbewegung zu aktivieren. Das bedeutet, dass bei Musikern bereits eine enge räumliche Kopplung zwischen Note und Position auf der Tastatur vorliegt. In einem Folgeexperiment verwendeten die Autoren Stimuli, die keinen direkten Bezug zur Musiknotation haben. Es handelte sich um Karten, auf denen die fünf Zahlen an unterschiedlichen Positionen aufgedruckt waren. In den horizontal kongruenten Bedingungen befand sich die jeweilige Zahl in einer Position, die mit dem zu betätigenden Finger kongruent war. Die Eins war also ganz links und die Fünf ganz rechts angeordnet. Mit einer anderen Bedingung sollten Vertikal-zu-horizontal-Zuordnungen geprüft werden. Die kleinste Zahl und damit die Bewegung des kleinen Fingers war ganz unten, die gröÃte Zahl und damit die Bewegung des Daumens war ganz oben angeordnet. Der auffallendste Befund ist, dass die Pianisten insbesondere Schwierigkeiten bei inkongruenten Vertikal-zu-horizontal-Zuordnungen hatten. Anders ausgedrückt: Sie verfügen bereits über eine automatisierte kongruente räumliche Vertikal-zu-horizontal-Zuordnung. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, dass der links liegende Ton sowohl auf der Horizontalen links wie auch auf der Vertikalen unten angeordnet ist. Wahrscheinlich ist darin auch der bereits beschriebene SMARC-Effekt verborgen. Links liegen die tiefen
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