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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Phonemwahrnehmung etc.). Möglicherweise ist das Broca-Areal zumindest teilweise in die Kontrolle des Singens eingebunden, zumindest wenn Sprachlaute gesungen werden (Racette, Bard und Peretz, 2006).
    â–     Vorstellung und Vorbereitung von Bewegungen
    â–     Wahrnehmung und Verarbeitung von Bewegungen, die jemand anderes ausführt, wobei diese Bewegungen für einen selbst von besonderer Bedeutung sind. Ein typisches Beispiel wäre, wenn Ihr Tennislehrer Ihnen eine Bewegung vorführt, die Sie später selbst durchführen sollen. Beim Betrachten der vorgeführten Bewegung wird dieses Hirngebiet aktiv. In Anlehnung an Befunde aus der Tierforschung wird dieses Hirnsystem auch als «Spiegelneuronensystem» bezeichnet.
    Warum nutzen Musiker besonders intensiv dieses Broca-Areal zum Lösen dieser Form von visuell-räumlichen Aufgaben? Bislang können wir auf diese Frage nur mehr oder weniger spekulative Antworten geben. Zunächst muss einmal festgehalten werden, dass alleine die Tatsache, dass Musiker für das Lösen einer Aufgabe, die eigentlich nichts mit Musik zu tun hat, andere Hirngebiete nutzen als Nichtmusiker, für sich genommen sehr interessant ist. Dieser Befund zeigt, dass Musiker offenbar andere neurophysiologische Strategien einsetzen, um das Problem des mentalen Rotierens zu lösen. Warum nutzen sie aber das Broca-Areal? Wahrscheinlich haben sie durch das Notenlesen und das Vom-Blatt-Spielen gelernt, simultan visuelle Wahrnehmungen mitmotorischen Kontrollprozessen zu koppeln. Wie in Abschnitt 4.3.2 dargestellt, erfordert das Notenlesen explizit den Rückgriff auf visuell-räumliche Fertigkeiten. Noten sind auf dem Notenblatt räumlich organisiert, denn sie erhalten anhand ihrer räumlichen Position auf den Notenlinien ihre spezielle Bedeutung. Durch wiederholtes Lernen des Notenlesens werden diese räumlichen Positionen mit motorischen Aktionen, welche über das Broca-Areal kontrolliert werden, assoziiert. Neben diesen visuell-motorischen Assoziationen müssen natürlich auch Assoziationen zum Musikgedächtnis geknüpft werden. Höchst wahrscheinlich singen viele Musiker beim Notenlesen die Noten laut, leise oder einfach «im Geiste» (Solmisation). Dies erfordert eine enge Assoziation zwischen visuell-räumlicher Analyse (Notenlesen), Solmisation und Hören. Der Aufbau dieser Assoziationen erfolgt über eine «Verknüpfung» bzw. stärkere Anbindung von Hirngebieten, die in die Kontrolle der unterschiedlichen psychischen Funktionen eingebunden sind. Das bedeutet, dass beim Musizieren verschiedene Gebiete des Scheitellappens, des Schläfenlappens und des Stirnhirns enger miteinander kooperieren. Insofern wird dieses Netzwerk immer aktiv sein, wenn musiziert wird, wahrscheinlich sogar wenn Noten gelesen werden.

    Abbildung 25: Schematische Darstellung des Netzwerkes, dass beim mentalen Rotieren bei Musikern aktiv ist. (1): Visueller Kortex (Sehrinde); (2) oberer Teil des Scheitellappens, (3) Prämotorkortex, (4) Gyrus angularis, (5) Broca-Areal. Das Broca-Areal und der rechtsseitige Gyrus angularis sind nur bei Musikern aktiv.
    Kürzlich hat eine Arbeitsgruppe aus Auckland in Neuseeland um den weltberühmten Neuropsychologen Michael Corballis einen weiteren Befund zutage gefördert, der die Besonderheit der visuell-räumlichen Verarbeitung bei Musikern betont (Patston, Corballis, Hogg und Tippett,2006). Die neuseeländischen Kollegen haben die Linienhalbierungsaufgabe (
line bisection
) eingesetzt. Vor den Versuchspersonen wurden lange Linien mit der Aufgabe präsentiert, diese Linien genau in der Mitte zu halbieren. Gesunde Personen weisen dabei eine leichte Verschiebung ihrer subjektiven Mitte um ca. 2 % nach Links auf (s. Abb. 26 ). Diese leichte Linksverschiebung der Mitte wird mit der Verarbeitungsdominanz der rechten Hemisphäre für visuell-räumliche Funktionen in Verbindung gebracht. Konkret wird angenommen, dass bei visuell-räumlichen Aufgaben die rechte Hemisphäre die Aktivierungsdominanz übernimmt und die Aufmerksamkeit leicht in das linke Gesichtsfeld «geschoben» wird. Führt man diesen Test mit Profimusikern durch, ergibt sich ein völlig anderes Ergebnis. Zunächst zeigt sich, dass die Musiker diese Aufgabe wesentlich besser lösen als Nichtmusiker. Sie weichen von der tatsächlichenMitte nur um ca. 1 % ab. Allerdings zeigt sich keine

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