Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
Vom Netzwerk:
Linksverschiebung, sondern eine leichte Rechtsverschiebung, was eigentlich dafür spricht, dass die linke Hemisphäre stärker in die räumliche Aufmerksamkeit eingebunden ist.

    Abbildung 26: Beispiel für eine Linienhalbierungsaufgabe. Dargestellt sind auch die Ergebnisse von Patston und Kollegen (2006).
    4.3.4
    Amusie und visuell-räumliche Wahrnehmung
    Amusien
sind Störungen der Musikwahrnehmung und/oder der Musikproduktion aufgrund von umschriebenen Hirnschäden. Ein Spezialfall der Amusien ist die
kongenitale Amusie
. Sie ist eine seltene und merkwürdige Störung insbesondere der Musikwahrnehmung und tritt ohne offensichtlich erkennbare neurologische Beeinträchtigung auf. Die Patienten können Töne, Melodien oder Rhythmen nicht erkennen, obwohl sie ansonsten im Hinblick auf ihre Hörleistungen unbeeinträchtigt sind. Das bedeutet, dass sie bei der Konversation völlig unauffällig sind. Sie können auch subtile Betonungsvarianten in der gesprochenen Sprache ohne Probleme erkennen. Sie haben lediglich die sehr spezifische Einschränkung im Hinblick auf die Wahrnehmung wichtiger Elemente der Musik. Man schätzt, dass ca. 4 % aller Menschen unter dieser merkwürdigen Störung leiden. «Leiden» ist vielleicht ein falscher Ausdruck, denn sie leiden ja nicht wirklich darunter, weil sie ja noch nie eine andere Wahrnehmung hatten. Diese merkwürdige Störung war im Fokus einer Reihe von Untersuchungen in den letzten Jahren. Ein interessantes Ergebnis dieser Untersuchungen ist der Befund, dass offenbar keine neurophysiologische Verarbeitungsstörung im primären Hörkortex vorliegt. Man dachte anfänglich, dass gerade in diesem Hirngebiet subtile Störungen auszumachen seien, die womöglich die differenzierte Analyse von Tönen, Rhythmen und Melodien unmöglich machen würden. Auch sorgfältig durchgeführte Untersuchungen der Sprachwahrnehmungsfähigkeit ergaben, dass kongenitale Amusiker und Amusiker nach Hirnschädigungen selbst subtile linguistische und emotionale Betonungen genauso gut wie normale Versuchspersonen erkennen. Hierbei muss man bedenken, dass das Erkennen der Sprachbetonung die Fähigkeit der Tonhöhenwahrnehmung voraussetzt, die ja offenbar bei diesen Menschen gestört zu sein scheint. Insofern muss man davon ausgehen, dass die Ursache dieser Form der Amusie in übergeordneten Funktionsmodulen und nicht auf der Ebene der elementarenHöranalyse zu suchen ist. Ein mögliches Problem könnte in der Analyse von räumlichen Zusammenhängen begründet sein, denn in unserem Musiksystem ist die Tonhöhe bemerkenswert stark mit Rauminformationen gekoppelt (siehe z.B. der SMARC-Effekt). Insofern stellt sich die Frage, wie denn eigentlich die Leistungen von solchen Amusikern in typischen Tests zur Überprüfung von visuell-räumlichen Funktionen ausfallen? Wenn diese Form von Amusie irgendeinen Zusammenhang mit Beeinträchtigungen von visuell-räumlichen Funktionen hätte, dann müssten auch diese visuell-räumlichen Funktionen beeinträchtigt sein. Dies ist in der Tat der Fall, wie kürzlich eine eindrückliche Publikation von Katie Douglas und David Bilkey aus Neuseeland gezeigt hat (Douglas und Bilkey, 2007). Die Autoren haben im Rahmen einer sehr gut kontrollierten klinischen Studie Musiker, Nichtmusiker und amusische Menschen im Hinblick auf Testleistungen in visuellräumlichen Tests miteinander verglichen und etwas Erstaunliches zutage gefördert.
    Bevor ich auf die Befunde näher eingehen werde, erlaube ich mir zunächst, die visuell-räumlichen Tests kurz zu beschreiben. Einen Test habe ich bereits oben näher beschrieben, es ist ein Verhaltenstest zur Messung des SMARC-Effektes. Dieser Test dient zur Erfassung der Anordnung der Töne im mentalen Raum. Ferner haben die Autoren einen mentalen Rotationstest verwendet (siehe oben). Sie haben eine Variante verwendet, die üblicherweise als Paper-Pencil-Version zur Anwendung kommt. Hierbei werden den Versuchspersonen fünf dreidimensionale Figuren präsentiert. Die am weitesten links stehende Figur ist die Standardfigur, die mit den vier anderen verglichen werden muss. Eine oder zwei dieser vier Figuren ist respektive sind (eine) gedrehte Variante/n der Standardfigur. Um herauszufinden, welche der vier Figuren die gedrehte Variante ist, muss der Proband jede der vier Figuren vor seinem geistigen Auge (also mental)

Weitere Kostenlose Bücher