Macht Musik schlau?
ähnlichen Vorteil im Zusammenhang mit der räumlichen Aufmerksamkeit für akustische Reize entwickelt haben.
Diese Fähigkeit zur Feineinstellung der auditorischen räumlichen Wahrnehmung ist der Grund dafür, dass Dirigenten offenbar über die Fähigkeit verfügen, ihre Aufmerksamkeit auf jedes Instrument und jeden Musiker zu richten, ohne ihn anzuschauen. Sie können die Taschenlampe der auditorischen Aufmerksamkeit im Orchester herumschweifen lassen und den «Lichtkegel» auf fast jede beliebige Position richten. Nur so gelingt es ihnen, ständig die Spielleistung der Orchestermusiker zu überwachen. Welch unangenehme Erkenntnis für die Orchestermusiker. Vor einem guten Dirigenten werden sie sich also nie «verstecken» können. Sie stehen immer unter der strengen Beobachtung des Maestros, auch wenn er sie nicht anschaut.
4.4
Rechenleistungen
Auf den ersten Blick mutet es schon ein wenig seltsam an, wenn man Musizieren mit Rechenleistungen in Verbindung zu bringen versucht. Allerdings ist dieser Zusammenhang gar nicht so weit hergeholt, wie man zunächst vermuten könnte. Eine der wesentlichen Gründe für diesen Zusammenhang ist, dass Rechnen und Musizieren offenbar durch gemeinsame neuronale Netzwerke und ähnliche psychologische Funktionsmodule verarbeitet werden. 23 In Abschnitt 4.3 habe ich bereits dargestellt, dass Töne und Melodien in gewisser Weise räumlich repräsentiert sind. Ãhnlich wie Töne sind bei uns Zahlen und viele mathematischeOperationen ebenfalls visuell-räumlich repräsentiert. Ein schönes Beispiel hierfür ist der «Zahlenstrahl», wo die kleineren Zahlen vor unserem «geistigen Auge» immer links neben den gröÃeren Zahlen platziert sind. Wenn man sich verschiedene Zahlen bei geschlossenen Augen vorstellt, sind diese Zahlen vor unserem «geistigen Auge» gleichmäÃig nebeneinander wie auf einer Wäscheleine angeordnet. Bei manchen Menschen sind die Zahlen nicht gerade auf einer Linie angeordnet, sondern weisen manchmal auch merkwürdige gebogene oder schlangenförmige Formen auf. Auch wenn wir mathematische Operationen durchführen, greifen wir auf psychische Funktionen zurück, die sehr viel mit visuell-räumlichen Funktionen zu tun haben. Vergleichen wir zwei Zahlen miteinander, rufen wir unbewusst die Positionen der Zahlen in unserem mentalen «Zahlenstrahl» oder der jeweiligen räumlichen «Zahlenanordnung» ab. Da wir beim Subtrahieren, Addieren, Multiplizieren und Dividieren immer auf unsere mentalen Zahlenrepräsentationen zurückgreifen müssen, werden immer auch räumliche Funktionen selbst bei einfachen mathematischen Operationen genutzt. Dass räumliche Funktionen für mathematische Aufgaben genutzt werden, ist bei geometrischen Aufgaben besonders offensichtlich. Hierbei geht es um die Anordnung, Entwicklung und den Vergleich von zwei- und dreidimensionalen Mustern. Wenn wir also geometrische Aufgaben lösen, stellen wir uns diese Formen vor, wir drehen und manipulieren sie vor unserem geistigen Auge.
Experimentelle Belege für die visuell-räumliche Anordnung von Zahlen gibt es zuhauf. Ich habe bereits die so genannten Reiz-Reaktions-Kompatibilitäts-Paradigmen beschrieben, die im Englischen als
Stimulus-Response-Compatibility-
(SRC-) -Paradigmen bezeichnet werden. Mit solchen experimentellen Anordnungen kann man sehr schön die visuell-räumliche Anordnung von Zahlen untersuchen. Insbesondere der SNARC-Effekt (
Spatial-Numerical Association of Response Codes
) (vgl. Abb. 27 ) hat erhellende Einsichten in die mentale Repräsentation von Zahlen geliefert. Zur Erinnerung: Wenn Sie auf einem Computerbildschirm Zahlen präsentiert bekommen und instruiert wurden, auf der rechten oder linken Seite der Tastatur (mit jeweils der rechten oder linken Hand) eine Taste so schnell wie möglich beim Erscheinen der Zahl niederzudrücken, dann sind Ihre Reaktionszeiten auf der rechten Seite der Tastatur schneller, wenn Sie auf gröÃere Zahlen reagieren müssen. Auf der linken Seite der Tastatur sind sie schneller bei kleineren Zahlen. Dieser Effekt bleibt auch erhalten, wenn wir mit gekreuzten Händen reagieren, wenn wir also mit der rechten Hand die linke Seite der Tastaturbetätigen und mit der linken Hand die rechte Seite. Demzufolge ist die
mentale Repräsentation
der Zahlen unabhängig von den motorischen Operationen und
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