Macht Musik schlau?
hat. Bei einigen Versuchspersonen werden auch vertikale SNARC-Effekte berichtet. Also kleine Zahlen führen zu schnelleren Antworten auf Tasten, die unten angeordnet sind, während gröÃere Zahlen zu schnelleren Reaktionen für oben angeordnete Tasten führen. Dies konnte man insbesondere bei Japanern zeigen. Man kann auch die mentale Repräsentation des Zahlenstrangs durch geeignete Testanordnungen zumindest kurzfristig beeinflussen. Wenn man vor der eigentlichen Aufgabe zum Beispiel eine runde Uhr präsentiert, kann man den SNARC-Effekt umdrehen. Kleine Zahlen führen dann zu schnelleren Reaktionen auf der rechten Seite und gröÃere Zahlen zu schnelleren Reaktionen links. Um den Befund zu verstehen, stellen Sie sich einfach eine Uhr vor. Dort befinden sich die kleinen Zahlen (z.B. 3 Uhr) rechts und gröÃere Zahlen links (z.B. 9 Uhr). Präsentiert man vor dem eigentlichen Versuch ein gerades Lineal, bleibt der ursprüngliche SNARC-Effekt bestehen. Unabhängig von den vielen Details, die im Zusammenhang mit der mentalen Repräsentation von Zahlen zu nennen wären, wird hier eindrücklich klar, dass Zahlen in unserem Gehirn visuell-räumlich angeordnet sind.
Die meisten mathematischen Operationen (auch die Repräsentation der Zahlen) werden nach gegenwärtigem Kenntnisstand von Hirngebieten im Scheitellappen kontrolliert und zwar in jenen Hirngebieten, die auch bei einigen Musikoperationen (zum Beispiel Notenlesen) genutzt werden (s. Abb. 28 ). Eine wichtige Struktur ist hierbei das Grenzgebiet zwischen dem oberen und unteren Schläfenlappen. Dieses Gebiet wird durch eine markante und sehr tiefe Furche getrennt. Diese Furche nennen wir den
Sulcus intraparietalis
(engl.:
intraparietal sulcus
, IPS). Insofern besteht neuroanatomisch, aber auch im Hinblick auf die beteiligten psychischen Prozesse eine beträchtliche Ãberlappung zwischen der Verarbeitung von visuell-räumlichen Funktionen, Rechnen und Musizieren. Eine andere Argumentationslinie geht davon aus, dass vielen Musikstücken offensichtliche oder verborgene mathematische Relationen zugrunde liegen. So kann man die Verhältnisse der Frequenzkomponenten von Klängen mathematisch exakt beschreiben. Auch Rhythmen und Melodien weisen teilweise klare mathematisch zu beschreibende Strukturen auf.
Insgesamt ist also festzuhalten, dass vielfältige Beziehungen zwischen dem Musizieren und Rechnen herzustellen sind. Das Bindeglied zwischen diesen beiden Tätigkeiten sind die visuell-räumlichen Funktionen,die sowohl beim Rechnen wie auch bei der Musik eine wesentliche Rolle spielen. Hat nun Musizieren wirklich einen günstigen Einfluss auf Rechenleistungen? Diesbezüglich sind einige Studien unterschiedlicher Qualität publiziert worden. Einige habe ich bereits im Zusammenhang mit der Besprechung der Längsschnittstudien dargestellt. In diesen Arbeiten konnte, wie schon dargestellt, ein moderater günstiger Einfluss der Musikausbildung auf Rechenleistungen herausgearbeitet werden. Allerdings ist in diesen Studien nicht eindeutig geklärt worden, ob diese günstigen Einflüsse des Musiktrainings spezifischer Natur sind, oder ob sie eher auf gesteigerte Aufmerksamkeit, Konzentration oder gar höhere Leistungsmotivation zurückzuführen sind. Neben den Längsschnittuntersuchungen sind auch etliche von Korrelations- und Querschnittuntersuchungen angefertigt worden. Einige typische Arbeiten und deren Resultate möchte ich im Folgenden kurz besprechen.
Abbildung 28 : Schema der am Rechnen beteiligten psychischen Prozesse und Hirngebiete. Visuelle Zahlenform: In diesem Modul werden die Zahlenzeichen wahrgenommen. Das involvierte Hirngebiet ist der Gyrus fusiformis. Die GröÃenrepräsentationen werden vorwiegend im Sulcus intraparietalis (IPS) verarbeitet. Der Gyrus angularis ist mit dem Gyrus frontalis (Stirnhirn) verbunden und trägt dazu bei, dass Sprachlaute korrekt gesprochen werden.
Mit Korrelationsstudien misst man typischerweise verschiedene Schulleistungskennwerte (zum Beispiel Rechenleistungen) bei einer gröÃeren Gruppe von Kindern und/oder Erwachsenen. AuÃerdem erfasst man noch verschiedene Kennwerte, die entweder elementare oder komplexere Musikleistungen betreffen. Das können Fähigkeitswerte in Bezug zur Tonhöhen-, Rhythmus- oder Melodieerkennung sein. Auch die Dauer und Qualität von Musiktraining wird in der Regel in solchen Studien
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