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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Unterschied zwischen Klavierspielern und Geigern. Klavierspieler sind im Durchschnitt um rund 8 % schneller als Geiger, obschon Geiger immer noch viel schneller als Nichtmusiker sind. Interessant ist auch, dass diese Unterschiede in elementaren motorischen Leistungen sich nur beim Tapping zeigen, allerdings nicht für motorische Aufgaben, die eine große Ähnlichkeit mit dem Schreiben aufweisen. In der hier zitierten Untersuchung kam auch der Hand-Dominanz-Test (HDT) zur Anwendung. Mit diesem Test kann man die Handgeschicklichkeit messen, indem die Versuchspersonen mit einem Bleistift Linien verfolgen und Punkte und Quadrate punktieren müssen. Dies sind eher Tätigkeiten, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem Geigen- oder Klavierspiel stehen. Beim Klavier- oder Geigenspiel muss der Musiker schnelle Fingerbewegungen durchführen. Diese schnellen Fingerbewegungen sind den Fingertaps sehr ähnlich, welche beim
Fingertapping
notwendig sind. Offenbar existiert kein Transfer von der Kontrolle schneller Fingerbewegungen zu Schreibbewegungen.

    Abbildung 29: Leistungskennwerte für Musiker und Nichtmusiker beim einfachen Fingertappen (Anzahl der Taps pro 20 Sekunden, nach Jäncke et al., 1997). Man erkennt, dass sich Musiker und Nichtmusiker im Hinblick auf die Tappingleistung, aber nicht bei der Leistung im Hand-Dominanz-Test unterscheiden.

    Abbildung 30: Motorische Leistungsunterschiede zwischen Pianisten und Violinisten. Man erkennt, dass sich Pianisten und Streicher im Hinblick auf die Tappingleistung, aber nicht bei der Leistung im Hand-Dominanz-Test unterscheiden.
    Wie bereits angedeutet, kann beim Tappen grundsätzlich eine Leistungsdominanz der dominanten rechten Hand festgestellt werden. Das heißt die rechte Hand tappt etwas schneller als die linke. Berechnet man einen so genannten Asymmetriewert 24 , stellt man fest, dass Musiker konsistent eine reduzierte Rechts-links-Asymmetrie aufweisen. Das heißt der Leistungsvorteil der rechten Hand ist deutlich geringer als bei Nichtmusikern. Vergleicht man ferner diese Rechts-links-Asymmetrie mit dem Alter zu Beginn des musikalischen Trainings, dann stellt man fest, dass jene Musiker, die besonders früh mit dem Musiktraining begonnen hatten, auch die geringsten Rechts-links-Asymmetrien aufweisen (siehe Abb. 31 ).
    Neben der Tatsache, dass Musiker im Vergleich zu Nichtmusikern schneller Tappen können, tappen sie auch regelmäßiger. Diese Regelmäßigkeit wurde nicht nur für einhändiges, sondern auch für beidhändigesTappen gefunden (Krampe, Kliegl, Mayr, Engbert und Vorberg, 2000). Diese motorische Regelmäßigkeit deutet auf einen stabilen «Zeitgeber» hin, welcher den Musikern bei der motorischen Steuerung zur Verfügung steht. Diese Stabilität ist ja auch notwendig, um die präzisen musikalischen Leistungen beim Klavierspielen und Geigen zu ermöglichen.

    Abbildung 31: Zusammenhang der Rechts-links-Asymmetrie im Hinblick auf die Tappingleistung bei Musikern und Nichtmusikern (nach Jäncke et al., 1997). Im Durchschnitt beträgt die Rechts-links-Asymmetrie bei Nichtmusikern ca. 0,10 und ist damit deutlich größer als bei Musikern.
    Bittet man Musiker, einen vorgegebenen Rhythmus nachzuklopfen, wird man feststellen, dass sie dies nicht nur viel besser als Nichtmusiker können, sondern auch viel effizienter (Drake und Ben El Heni, 2003). Vor allem wenn sie das Musikstück kennen, werden die motorischen Aktionen etwas langsamer, aber sie erreichen ihr Ziel, nämlich das präzise Nachklopfen des vorgegebenen Rhythmus. Offenbar haben die Musiker die Fähigkeit, den vorgegebenen Rhythmus biomechanisch und neurophysiologisch optimal nachzuklopfen. Sie meistern die Aufgabe ohne Hast und außerordentlich elegant.
    Das motorische System ist ganz auf Geschwindigkeitsoptimierung ausgelegt. Dies bedeutet, dass vieles quasi vorhergesehen wird, damit bei der Ausführung alles optimal abläuft. Wenn Pianisten eine Folge von Noten sehen, dann werden automatisch schon die entsprechenden motorischen Programme gestartet, die mit diesen Noten assoziiert sind.Für einen Klavierspieler bedeutet dies, dass beim Sehen einer Notenfolge schon die motorischen Programme aktiviert sind, die für das Anschlagen der Tasten spezialisiert sind. Dieser Vorteil des schnellen Vorwegnehmens von motorischen Programmen kann aber auch zu einem Nachteil werden, nämlich dann, wenn die Assoziation zwischen

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