Macht Musik schlau?
Viel interessanter ist allerdings, dass diese Spanne offenbar durch das Musiktraining nicht verbessert wird. Anders ist es mit der
Auge-Hand-Spanne
. Musiknovizen zeigen viele Fixationen, was bedeutet, dass ihre Augen auf dem Notenblatt hin und her springen. Sie machen auch recht viele Spielfehler und weisen eine
Augen-Hand-Spanne
von nicht mehr als einem Ton auf. Fortgeschrittene Anfänger zeigen schon weniger Augenbewegungen und die
Augen-Hand-Spanne
beträgt ein bis zwei Noten. «Experten» zeigen weniger Fixationen und eine
Augen-Hand-Spanne
von bis zu vier Noten. Bei weiteren Experimenten wurde festgestellt, dass fortgeschrittene Musiker oft ganze Gruppen von Spielfiguren durch Fixationen erfassen. Rufen wir uns ins Gedächtnis zurück, die
Augen-Hand-Spanne
gibt an, wie viele Informationen aufgenommen und zum motorischen System geleitet werden. Diese Informationsmenge ist offenbar die kritische Informationsmenge, die durch das Training verbessert wird, und nicht die Menge, die grundsätzlich vom Wahrnehmungssystem aufgenommen werden kann. Musiker haben eine bessere Anbindung ihrer Wahrnehmung an die Motorik. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie effizienter ihre motorischen Aktionen steuern können. Wahrscheinlich werden mehrere Bewegungsgruppen zusammengefasst und können durch wenige Befehle viel effizienter als bei Nichtmusikern oder weniger guten Musikern gesteuert werden (Truitt, Clifton, Pollatsek und Rayner, 1997).
4.6
Motorische Leistungen
Die motorischen Leistungen von Musikern sind offensichtlich. So erreicht ein technisch guter Pianist mit beiden Händen durchaus 1800 Tastenanschläge pro Minute. Ãhnlich auÃergewöhnliche motorische Leistungen werden von Violinisten und Bläsern erbracht. Viele Instrumentalisten müssen zudem ungewöhnliche biomechanische «Schwierigkeiten» überwinden, um ihr Instrument zu spielen. So müssen Violinisten ihr Instrument auf der Schulter platzieren, mit dem Kinn einklemmen und mit dem Arm, der den Bogen führt, komplexe Bewegungen ohne visuelle Kontrolle durchführen, während gleichzeitig die Finger der linken Hand sich höchst präzise und oft blitzschnell über den Geigensteg bewegen und dünne Saiten sehr feste niederdrücken müssen. Ein anderer Aspekt der motorischen Kontrolle betrifft die Beidhändigkeit, die für viele Instrumente notwendig ist. Um die Beidhändigkeit zu gewährleisten, die für viele Instrumente (Geige, Klavier, Tasteninstrumente und Schlagzeug) notwendig ist, bedarf es intensiven Trainings und des Auflösens der Dominanz der rechten Hand (bei Rechtshändern). Wie kann man die motorischen Grundfertigkeiten von Musikern untersuchen?
Eine einfache Methode ist das so genannte
Fingertapping
. Hierbei werden die Versuchspersonen gebeten, mit einem Finger so schnell wie möglich innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine Taste zu drücken oder auf den Tisch zu klopfen. Jedes einzelne motorische Ereignis wird als
Tap
(engl.:
to tap
= klopfen oder schlagen) bezeichnet. Lässt man Profimusiker und sorgfältig ausgewählte Nichtmusiker jeweils mit dem rechten und linken Zeigefinger innerhalb von 20 Sekunden so viele
Taps
ausführen, wie sie können, wird man feststellen, dass Musiker, die ein Instrument spielen, viel häufiger
tappen (
s.a. Abb. 29 und 30 ) (Jäncke, Schlaug und Steinmetz, 1997). Neben diesem Aspekt fällt auch auf, dass mit der dominanten Hand (bei Rechtshändern die rechte Hand) häufiger getappt wird als mit der subdominanten Hand (bei Rechtshändern die linke Hand). Bei Pianisten und Violinisten ist die
Tappingrate
der dominanten rechten Hand um rund 14 % höher als bei Nichtmusikern. Die
Tappingrate
der subdominanten linken Hand ist um rund 20 % höher als bei Nichtmusikern. Interessant ist auch, dass offenbar die subdominante (eigentlich ungeschicktere Hand) bei den Instrumentalisten einen im Vergleich zu Nichtmusikern deutlicheren Leistungszuwachs aufweist. Der Grund dafür ist, dass die subdominante linke Hand bei Musikern durch das Training einen viel stärkeren Trainingsvorteil als die dominante rechte Hand genieÃt. Durch das Training kann bei der subdominanten Hand noch viel mehr an Leistungsfähigkeit gewonnen werden, während die Leistungsfähigkeit der rechten dominanten Hand bereits nahe an der absoluten Leistungsgrenze liegt. Ein weiterer interessanter Befund betrifft einen kleinen aber wichtigen
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