Macht Musik schlau?
dem visuellen Reiz (hier dem Zeigen der Noten) und den motorischen Reaktionen gestört wird. Dies kann man erreichen, wenn unmittelbar nach der visuellen Präsentation der Noten akustisch eine Notenfolge präsentiert wird, die zwar mit der Zielnotenfolge Ãhnlichkeiten aufweist, aber doch in einigen Aspekten deutlich von der Zielnotenfolge abweicht. Dann werden nur Musiker langsamer (Drost, Rieger, Brass, Gunter und Prinz, 2005). Insgesamt zeigen diese Befunde sehr eindrücklich, wie spezifisch sich das Motorsystem der Musiker auf die speziellen Anforderungen des Spielens eines Instrumentes eingestellt hat. Allerdings erkennt man hier sehr deutlich, dass mit der Spezialisierung und der Optimierung auch ein wenig an Flexibilität verloren geht.
Dies sieht man auch, wenn man die seltenen Fälle anschaut, in denen linkshändige Anfänger auf einem «umgekehrten Piano» (engl.:
reversed piano
) Klavier zu spielen gelernt haben. Bei einem «umgekehrten Piano» befinden sich die Tasten mit den hohen Tönen auf der linken Seite und die Tasten mit den tiefen Tönen rechts. Normalerweise ist dies ja genau anders herum organisiert. Diese umgekehrte Anordnung wird manchmal eingesetzt, weil einige Klavierlehrer davon ausgehen, dass Linkshänder es einfacher hätten, auf einem «umgekehrten» Piano zu lernen. In der Tat ist es so, dass die dominante Hand (meist die rechte) die Melodie und die linke Hand eher die Begleitung oder den Rhythmus spielt. Demzufolge können Rechtshänder natürlich mit einem regulären Piano mehr Kontrolle über die Melodie ausüben, da sie diese mit ihrer geschickteren Hand spielen. Bei Linkshändern ist dies schon schwieriger, denn Linkshänder müssen insbesondere zu Beginn des Klaviertrainings lernen, ihre ungeschicktere rechte Hand so zu verbessern, dass sie die wichtige Melodie auch präzise und mit dem nötigen Nachdruck spielen können. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe wird einsichtig, wenn sich Rechtshänder vorstellen würden, sie müssten mit ihrer ungeschickteren linken Hand etwas Wichtiges ausführen, z.B. eine präzise Zeichnung anfertigen, einen Nagel in die Wand schlagen oder die Computermaus bedienen. Vielen wird dies zu Recht unbehaglich und kaum lösbar vorkommen. Mein Kollege Bruno Laeng (damals noch Harvard University) hat sich in einer interessanten Studie damit auseinandergesetzt, wieAnfänger und Fortgeschrittene mit einem «umgekehrten» Piano umgehen (Laeng und Park, 1999).
Wenn linkshändige Anfänger beginnen, auf einem «umgekehrten» Piano Klavier spielen zu lernen, dann können sie das in der Tat etwas besser. Sie lernen schneller, als wenn sie auf einem regulären Klavier lernen würden. Interessanterweise haben geübte Klavierspieler ungeheure Probleme, auf einem «umgekehrten» Piano zu spielen, selbst wenn sie ausgeprägte Linkshänder sind. Das bedeutet, dass sich Linkshänder nach intensivem Training auf einem regulären Klavier derart motorisch angepasst haben, dass ihnen das Spielen auf einem «umgekehrten» Klavier schwer fällt, ja sogar sehr häufig unmöglich wird. Ãbrigens ein schönes Beispiel für die enorme Plastizität (Formbarkeit) des menschlichen Gehirns. In diesem Fall haben sich die Assoziationen zwischen den visuellen Reizen (Noten und Tastenpositionen) mit den entsprechenden motorischen Programmen etabliert, so dass das gesamte System prädiktiv und damit ungeheuer schnell arbeiten kann.
Man wird selten Klavierspieler finden, denen es problemlos gelingt, elegant zwischen einem regulären und dem «umgekehrten» Piano hin- und herzuwechseln. Viele werden es gar nicht können, manche nur mit Mühe und einige nur leidlich. Selbst bei den Klavierspielern, denen es einigermaÃen gelingt, diese Umschaltung zu bewerkstelligen, wird nie die gleiche Leistungsfähigkeit festzustellen sein, wie beim Spiel auf dem regulären Piano. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist der berühmte Pianist Chris Seed. Im Alter von 32 Jahren hat Chris Seed â ein anerkannter, linkshändiger Konzertpianist und Lehrer am Winchester College in London â sein elektronisches Keyboard umprogrammiert, um einmal auszuprobieren, wie sich das anfühlt, auf einer «umgekehrten» Tastatur zu spielen. «Ich erkannte sofort, wie leicht die Umstellung ging. Eigentlich hatte ich erwartet, dass es Jahre dauern würde, aber innerhalb
Weitere Kostenlose Bücher