Macht Musik schlau?
Gehörs wird auch als Ton-AP und die letztere als Musikstück-AP (
piece-AP
) bezeichnet. Die beiden Varianten des absoluten Gehörs werden durch unterschiedliche kognitive Funktionsmodule kontrolliert, obwohl auch überlappende Elemente auszumachen sind. Die Ton-AP-Variante benötigt fest verankerte Gedächtnisspuren der zwölf Töne aus dem Tonleitersystem. Diese Gedächtnisspuren müssen auch noch mit anderen psychischen Funktionsbereichen gekoppelt sein. Bei jenen absolut hörenden Personen, die den Tönen Namen geben, müssen diese Ton-Gedächtnisspuren mit verbalen Bezeichnungen assoziiert sein. Interessant ist, dass Gedächtnisspuren der einzelnen Töne sich mit dem Alter um bis zu zwei Halbtöne verschieben können. Bei jenen Personen, die über die zweite Variante des absoluten Gehörs verfügen (Musikstück-AP), sind die Musikstücke mit den Namen und/oder Texten der jeweiligen Musikstücke gekoppelt.
Im angloamerikanischen Sprachraum wird das absolute Gehör gelegentlich auch als
perfect pitch
bezeichnet. Es besteht allerdings kein qualitativer Unterschied zwischen
perfect pitch
und
absolute pitch
. Die Fähigkeit des absoluten Gehörs ist sehr selten. Man geht derzeit davon aus, dass etwa eine Person unter 10 000 über die Fähigkeit des Ton-AP verfügt, wobei schon die eindeutige Definition, wer nun wirklich «Absoluthörer» ist und wer nicht, Schwierigkeiten bereitet. In der Regel bezeichnet man einen Probanden als «Absoluthörer», der 70 bis 100 % der zufällig dargebotenen Töne korrekt erkennen bzw. benennen kann. Bei der Untersuchung ist anzuraten, keine Musiktöne zu verwenden, sondern man sollte auf künstliche Töne wie Sinustöne zurückgreifen, weil viele geübte Musiker über ein erstaunlich gutes Gedächtnis für den Kammerton/aâ/ auf ihrem Instrument verfügen. Sie können dann die anderen Töne ihres Instrumentes über die Bildung von Intervallen erschlieÃen. Das heiÃt sie erkennen eine Terz oder Quinte in Bezug zum Kammerton und können dann den dargebotenen Ton gut benennen. Bei der Verwendung von künstlichen Tönen ist dies praktisch unmöglich. Bei der Untersuchung, ob jemand über das absolute Gehör verfügt, werden Oktavfehler in der Regel nicht berücksichtigt. Wenn also eine Testperson angibt, ein /a/ in der 4. Oktave gehört zu haben, und der dargebotene Ton zwar ein /a/ war, aber mit einer um eine Oktave niedrigeren Grundfrequenz (also in der 3. Oktave), dann wird dies nicht als Fehler gewertet. Der Begriff «absolutes Gehör» führt den Laien ein wenig in die Irre, da er impliziert, dass die Menschen mit dem absoluten Gehör grundsätzlich über bessere Hörleistungen verfügen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Absoluthörer unterscheiden sich hinsichtlich der Tonhöhenwahrnehmungsschwelle (s. Abschnitt 4.7.1) nicht von anderen Personen. Die Tonwahrnehmungsleistungen absolut hörender Musiker sind bis auf wenige Ausnahmen denen der nicht absolut hörenden Musiker sehr ähnlich. Interessant ist auch, dass die Fähigkeit des absoluten Gehörs nicht mit anderen musikalischen Leistungsfähigkeiten zusammenhängt. Es gibt berühmte absolut hörende Musiker aber auch ebenso berühmte nicht absolut hörende Musiker, darunter Dirigenten, Komponisten, Pianisten, Violinisten und Sänger. Die jeweilige Leistungsfähigkeit hängt bzw. hing nicht von der Fähigkeit des absoluten Gehörs ab. Wolfgang Amadeus Mozart und Michael Jackson verfügten bzw. verfügen über das absolute Gehör; Maurice Ravel, Richard Wagner und Robbie Williams nicht. Manche Laienmusiker und auch Musiker, die sich am Beginn ihrer akademischen Laufbahn befinden, empfinden es als vorteilhaft, über ein absolutes Gehör zu verfügen, weil es ihnen zunächst einfacher erscheint, gehörte Musik im Gedächtnis zu behalten oder Musik besser nachzuvollziehen. Des Weiteren umweht das Phänomen des absoluten Gehörs auch ein Mythos des Genialen, möglicherweise weil einige auÃergewöhnliche Musiker (z.B. Mozart, der Inbegriff des genialen Musikers) über diese Fähigkeit verfügen bzw. verfügten. Hinzu kommt die Seltenheit und der für AuÃenstehende verblüffende Charakter dieser Fähigkeit. Fakt ist, dass absolut hörende Musiker eine ganze Reihe von Nachteilen «erleiden»
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