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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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hier, eh?«
    »Na, so grillen und bisschen spazieren gehen«, sage ich.
    »Mit uns? Biss doof oder was ? Hass sonss nix zu tun, eh? Hass kein Arbeit?«.
    »Nix.«
    »Hä?«
    Bei dem »Hä« sehe ich, dass sie vier Piercings in der Zunge hat. Ich überlege NICHT, WO sonst noch.
    »Nix«, sage ich.
    »Hä?«, macht sie.
    »Freu dich drauf«, sage ich.
    Thong schaut mich an mit ihrem zickigen, hübschen Gesicht, und ich schaue zurück. Ihre Freundin, die eben mit mir gesprochen hat und jetzt nicht mehr mit mir spricht und mit der ich kein Gespräch führen kann, weil mir die Initiative dazu fehlt, ist vom selben Typus wie Thong, aber ihr fehlt Thongs Problem-Ausstrahlung. Thong ist zickig und hübsch UND erregend, ihre Freundin ist zickig und hübsch, fertig. Kleiner Unterschied, große Wirkung.
    Abgesehen von einem entblößten Hintern und ein paar unfassbar obszönen Schimpfwörtern benehmen die Problemkids sich anständig. Sie strahlen eine ähnliche Ruhe aus wie Langzeitgefangene oder in die Jahre gekommene notorische Kriminelle. Die Ruhe, nachdem man jahraus, jahrein schikaniert worden ist. Der Einwandererjunge und sein Hinternwackelkumpel pissen hinterm Observatorium in die Aussicht. Wir gehen wieder runter und nehmen die U-Bahn zurück in die Stadt. Fotti und die Problemkids steigen irgendwann aus. Thong verschwindet in der Menge. Ich bleibe noch vier Haltestellen lang sitzen.
     
    Dass ich derart viel Freizeit habe, muss bedeuten, dass ich einer Art privilegierter Oberschicht angehöre. Für mich ist jeder Tag Samstag, also ist es für mich ohne weitere Bedeutung, dass heute Freitag ist (und heute Abend Freitagabend).
    So schnell ich kann, verlasse ich die U-Bahn. Ich halte einfach den Anblick all dieser Menschen nicht aus. Warum? Because phrenology is my ideology. Wenn man mich fragt, so blickt derjenige, der ein Auge für schädelkundliche Details hat, den Menschen direkt ins Herz, und es schmerzt geradezu, seinen Studienobjekten derart nah zu sein wie in der U-Bahn. Wäre ich jemals auf eine »Mainstream-Subversion« à la Fatty aus, so würde ich eine schädelkundliche Monatszeitschrift unter folgendem Namen gründen:

    Fotti hat gesagt, sie sei so um drei rum mit dem Job fertig, jetzt ist es gut zwei vorbei. Sie wollte mit den Kids noch ihre Mathe-Hausaufgaben durchgehen und sie dann in ein neues Wochenende voller Dope und hysterisch unreifem Sex entlassen. Außerdem hat sie – nicht weiter überraschend – gefragt, ob wir uns im Leermeister treffen wollen, wenn sie fertig ist. Und ich habe – nicht weiter überraschend – ja gesagt.
    Drinnen im Leermeister serviert mir der Kellner mit den Ober/Unterzähnen ein Bier, und ich warte auf Fotti. In einer Kneipe zu sitzen und zu warten, ist eine meiner allerletzten Lieblingsbeschäftigungen.
     
    Fotti ist »ein nettes Mädchen«, wie man so sagt. Das erkenne sogar ich. Eine gewisse Sorte Männer – wie soll man sie bezeichnen? Straight guys? Typen mit irgendeinem gut bezahlten »kreativen« Job, denen der Sinn nach Bequemlichkeit PLUS ein bisschen Spannung und Unkonventionalität steht –, liegen ihr zu Füßen. Fotti ist redegewandt, streitlustig und aufrichtig, und das wirkt auf diese Männer äußerst attraktiv. Im Lauf der Zeit hat sie einen ganzen Haufen von diesen Gestalten angezogen. Geschäftsleute, die Mädchen satt haben, die auf Geschäftsleute aus sind. Fotti ist ganz offensichtlich die Inkarnation ihrer nebulösen Fantasie bezüglich eines »besonderen Mädchens«. Ein Typ mit extrem attraktiver Hautfarbe und etwas weniger attraktiver Stimme war derart scharf auf sie, dass er beschloss, ihr ein Auto zu SCHENKEN. Was er auch tat. Er setzte enorme Mengen Energie ein, um sie zu überreden, das Geschenk anzunehmen. Ohne jede Verpflichtung. Fotti hat keinen Führerschein. Aber das Auto musste sie nehmen. Dann und wann fungiert Arolf als Chauffeur. Mal ein Ausflug in eine Vorstadt, mal eine Runde durchs Zentrum. Fotti zahlte zum Dank in Form sporadischer Telefongespräche – kostenloser Gespräche, da der Mensch in der Telekombranche arbeitete. So ging es bis zu dem Tag, da er in der Innenstadt das Auto sah (erkennbar dank des Telekom-Logos an den Seitentüren) und darin Arolf, der deutlich über der erlaubten Geschwindigkeit um die Kurve geschossen kam, eine 0,7-Liter-Flasche Heineken an den Lippen. Der Telekasper – so hatten wir ihn alsbald getauft – erläuterte Fotti in einem letzten Gratisgespräch, dass er auf solche »aktive

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