Macht und Rebel
die Mädchen bleiben sitzen, ein paar von den Einwandererkids keilen sich spielerisch und rülpsen mit ihren Hormonstimmen, während sie sich balgen.
Ich werde jäh und unvermittelt und schärfstens geil auf eines der Problemkids. Sie hat TATSÄCHLICH den alten Trick angewandt und die Tangastrings über den Saum ihrer Jogginghose gezogen. Und ich will verdammt sein, wenn die ihre Titten nicht mit Silikon aufgepumpt hat. Gibt es bei so was keine Altersgrenze? Sie ist hübsch und zickig. Genau das. Hübsch wie der Teufel und zickig wie die Hölle. Hübsch und bis zum Rand voll mit Problemen. Das sehe ich. Wild erregend. Ihre Jogginghose ist weiß und ihr T-Shirt ist weiß und die Tangastrings sind – alles festhalten: orange. Wie Hacker-Catos verfickter Wagen! Ich sitze da und glotze. Sie raucht und redet mit ein paar anderen Mädchen und fuchtelt dabei zickig rum. Ihre Fingernägel fallen mir auf, sie sind gepflegt und lackiert, und zwar – ja: orange. Match.
Fotti gibt mir einen Einweggrill und eine Schachtel Streichhölzer und deutet auf die Stelle, wo die Jungs schon am Zündeln sind. Ich gehe hinüber und mache meinen Grill an. Einer von den Jungs, ein gut aussehender, gut gebauter Pakistaner, Iraner, Libanese, Jude, Südamerikaner, weiß der Teufel, sitzt gebeugt da und schaut zu mir hoch. Sein getrimmtes schwarzes Haar ist dick wie Brotteig und glänzt von Kokosöl. Um den Hals hat er eine fette Goldkette.
»Biss'n du, eh, Alda?«, fragt er.
»Freund von Fotti«, sage ich und fühle mich körperlich unterlegen.
»Machss'n hier, eh?«
»Nichts. Picknick«, sage ich.
»Unn sonss, Alda?«
»Nix sonst.«
»Hä?«
»Nix sonst«, sage ich. »Freu dich drauf.«
Fotti schnauzt hinter uns einen von den anderen Jungs an, der sich einen Joint angesteckt hat. Wenn er nicht sofort aufhört mit der Scheiße, müssen alle zurück in die Schule, droht sie. Der Junge mit dem Joint trägt eine ebenso dicke Goldkette wie mein Einwandererboy hier. Ich schaue ihn an. Er schaut zurück:
»Was kuckss du?«
Ich zitiere Fatty: »Gold ist voll in.«
»'sch weiß, Alda.«
Die Würstchen brutzeln, die Jungs spielen hektisch Fußball auf der Wiese, die Mädchen quackeln zickig miteinander. Fotti winkt mich zu sich rüber, ich soll mich neben sie ins Gras legen. Mach ich, obwohl »im Gras liegen« NICHT unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung ist. Auf dem Hinweg schaue ich zu dem Mädchen mit den Tangastrings rüber. Die Sonne steigt, es wird wärmer, und ich bekomme ein vages Gefühl, dass meine Fortpflanzungsorgane noch am Leben sind. Scheiße, heute scheint der erste Frühlingstag zu sein.
Fotti macht den Mund auf, und schon kommt Enttäuschung Nummer eins:
»Schon gehört, Johannes und Jenna kriegen ein Kind. Wissen sie seit vorgestern«, sagt sie.
»Nein«, sage ich und bedaure die Tatsache, dass Gene weitergegeben werden. Meine Fortpflanzungsorgane sterben wieder ab.
Enttäuschung Nummer zwei: Eins von den Problemkindern fragt: »Fotti, können wir bisschen Musik anmachen?«
»Klar«, sagt Fotti.
Und schon spielen sie auf dem Discman von einem der Mädchen irgendeinen Trance-Shit.
Ich höre keine Musik mehr. Ich kann Musik nicht ertragen. Ich hasse Musik. Wenn man mich fragt, ist Musik einer der Gründe, warum alles zum Teufel geht. Jedes Mal, wenn ich Musik hörte – als ich noch Musik hörte –, war mir, als müsste ich alles aufgeben. Mag sein, Musik hilft einem, »Zugehörigkeit zu verspüren« und »Grenzen aufzulösen« zwischen »sich und der Welt«, »sich und der Gruppe« oder so'n Scheiß, aber wenn man mich fragt, sind Leute, die zu irgendeinem Emanzipationsrhythmus auf und nieder hüpfen, das Gefährlichste, was es gibt. Musik schafft hirnlose Einigkeit, sonst nichts. Musik steht für Verantwortungsverdrängung. Wenn du »eine Pause« brauchst, »Luft holen«, »mal verschnaufen« willst, bist du ein Warmduscher. Wenn du mal »aus allem raus« willst, bist du scheißfeige. Musik ist Feigheit. Wer Musik hört, »vergisst« auf einmal die unumstößliche Tatsache, dass er mutterseelenallein ist; und er wird es immer sein. Er befindet sich auf einmal mit seiner Umwelt »im Einklang«, und das ist eine widerliche, ja gefährliche Empfindung. Eine kleine Weile lang lebt er in dem Glauben, das »Selbst« würde »sich auflösen«, und Veränderung bewirke Gutes. Das ist zum Kotzen. Sheba Ali hat mal behauptet, die Musik, die er höre, bringe seine Aggressionen mit denen seiner »Gleichgesinnten« auf
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