Macht und Rebel
Hals, um genau zu sein – weit, weit über den point of gag hinaus – und sie kichern und lachen IMMER NOCH.
Eins von den Mädchen hat angefangen, Kronkorken nach den Jungs zu werfen, die drüben liegen und Würstchen essen und rauchen und aussehen wie eine Herde männlicher Wirbeltiere. Sie glitzern in allerlei frisch geklautem Joggingzeug. Verdammt, sogar an den Händen von etlichen Jungs sieht man, dass es Problemkids sind. Keine wohlerzogenen, erfolgreichen Schulgänger mit FÜRCHTERLICH gesund wirkenden Händen. Oder Hälsen. Recht bedacht, gibt es erschreckend viele Junkies und Alkis mit unbeeinträchtigtem Kopfhaar. Prozentual gesehen haben mehr Junkies noch alle Haare als der Durchschnitt, was nur eins bedeuten kann, nämlich dass KÖRPERLICH gut ausgestattete Leute leichter vom rechten Weg abkommen, weil sie den Alltag, den die KÜMMERLINGE ihnen bereiten, nicht aushalten. Alle physisch Überlegenen, die ich kenne, sind auf die Schnauze gefallen. Ohne ihr Zutun. Es liegt am Schulsystem, das verliererfreundlich ist und alles dafür tut, dass die EIGENTLICH Überlegenen ausgesondert werden. Umgekehrter Darwinismus. Alles, was sich entwickelt, wird kaputtgemacht. Die Eigenschaft körperliche Überlegenheit geht oft Hand in Hand mit anderen Eigenschaften wie: Autonomie, manipulatorische, ja diktatorische Fähigkeiten, Tatkraft und natürliche Autorität. Das übersozialisierte Schulsystem funktioniert so, dass es diese Eigenschaften zu PROBLEMEN macht. Und zwar, weil die Verlierer – die körperlichen Verlierer, mit anderen Worten: die Schulgewinner – seit Generationen und Abergenerationen Methoden ausgetüftelt haben, die kommende Generation körperlicher Verlierer vor der nächsten Generation körperlicher Gewinner zu schützen. Ich hoffe bloß, das Schulsystem ist bald am Arsch, so dass die Verliererhegemonie dieser verdammten Verlierergesellschaft einen Schuss vor den Bug kriegt. All diese charakterlosen, »intelligenten« Streber, die jahraus, jahrein in den Schulen gewinnen, weil die Schule VON Verlierern FÜR Verlierer gemacht wird. Die wahren Gewinner sitzen da mit ihrem fülligen Kopfhaar und können sich Heroin spritzen, überallhin, in die Leistenbeuge, ins Auge, in den Schwanz, soviel sie wollen.
Wie auch immer, die Teenies, mit denen ich hier sitze, vereinen eine Kombi guter Eigenschaften: Hass gegen Autoritäten, sprachliche Freiheit, Mut, natürlichen Oppositionsgeist, physische Überlegenheit und nicht zuletzt aggressive Sexualität. Eigenschaften, die ich mir irgendwann selbst gewünscht, aber nie besessen habe. Hingegen besitze ich leider sämtliche Eigenschaften, die es braucht, um in diesem VERLIERERSYSTEM ZU bestehen, und das quält mich. Es bringt mich um den Verstand, denn es bedeutet, dass ich dazu verurteilt bin, für den Rest meines Lebens mit Losern meines Schlages zu tun zu haben. Losern, die auf Leben oder Tod für alles, was sie tun, wertgeschätzt werden wollen. Auch ich – als typischer Gewinner-Verlierer – kann es beim besten Willen nicht sein lassen , sinnvoll zu kooperieren. DERART kaputt bin ich. Alles, was ich zustande bringe, sind dämliche Strategien, die nirgends hinführen. Tüchtige, weiße, männliche, heterosexuelle Exemplare der Gattung Homo Sapiens haben einfach nicht das, was sie brauchen. Nicht mehr.
Fotti sagt zu den Kids, sie sollen die Grillgeräte in den Abfall werfen. Offenbar geht es jetzt zum Observatorium, zwei, drei Kilometer weiter oben. Teenager wie die hier haben keinen Zutritt zum Observatorium, also lautet der Plan, hochzugehen und draußen vorm Observatorium zu stehen und über Wald und Stadt zu blicken. Ein halblauter Chor von missmutigem Stöhnen begleitet die Einweggrills in eine der kommunalen Abfalltonnen. Die Jungs schleppen ihre von keinem einzigen beschissenen Gramm Fett verunstalteten Körper zwischen dem Picknickplatz und der Abfalltonne hin und her. Ich behalte Thong und ihren Hüftbereich genau im Blick.
Auf dem Weg zum Observatorium geht einer der Kumpels des Einwandererjungen, mit dem ich mich unterhalten habe, etwas voraus, zieht sich die Hose runter und winkt – ja, wirklich, WINKT – mit dem Arsch zu unserer kleinen Gesellschaft runter, die lachend hochruft, er sei widerlich. Dabei macht diese kleine Geste in Wahrheit alle glücklich. Ich gehe nur ein paar Schritte hinter Thong. Auf einmal dreht ihre Freundin sich um und spricht mich an. Eine Wiederholung des Gesprächs mit dem Einwandererjungen:
»Warum biss'n
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