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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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Antireklame« für seine Firma keinerlei Wert lege, worauf Fotti erwiderte, er könne sich seine bescheuerte Karre in den Arsch stecken, wenn er so zimperlich sei. Das war das Ende der Beziehung, die keine Beziehung gewesen war. Den Wagen hat Fotti immer noch.
    Fotti ist auf eine Weise unternehmungslustig und neugierig, die ihr ein entspanntes Verhältnis zum Leben ermöglicht. Das erkennt man ohne Hellseherei. Sie hat Grundsätze, sie überdenkt ständig, was sie tauglich findet und was nicht, wofür sie ist und wogegen. Für ein Weichtier wie mich ist das die reinste Qual. Ach, da kommt sie ja. Ober/Unterzähne folgt ihr wie ein zahmer Hund.
     
    »Und, hatten sie ihre Hausaufgaben gemacht?«, frage ich.
    »Nein«, sagt Fotti. »Sultan hat am meisten gemacht.
    Er hat sein Mathebuch zu einer Pappmaché-Uzi verarbeitet.«
    »Sultan?«, frage ich.
    »Einer von den Einwandererjungs. Der Hübsche mit der Goldkette.«
     
    Fotti nestelt an den Verbänden um ihre Handgelenke. Ich habe sie dreimal gevögelt. Das zweite Mal war das beste. Das erste Mal war der Anfang, das dritte der Schluss. Ein handlicher kleiner Vögelzyklus. Es war unwahrscheinlich, dass zwei so gegensätzliche Leute wie wir eine Beziehung aufbauen würden. Wir sind einfach zu verschieden, und – was man nicht vermuten würde – mögen uns zu gern, als dass wir unsere Freundschaft durch Liebe kaputtmachen wollten. Bei jedem Treffen schimpft sie mit mir, sie findet, mir fehle es an Initiative, ich sei zu schlapp, sie redet gegen mein Gejammer an, denn sie will mir, wie sie sagt, »ausreden, so verfickt widersprüchlich und widerstrebend zu sein, Rebel!« Ich stammle dann etwas von wegen, ich sei gegen alle Verbote der Widerstandsindustrie, aber auch gegen positive Vorurteile bezüglich der Gegenkultur sowie gegen jede Verunsicherung und Entmutigung der vorbildlichen Vorkämpfer für Reformen und Gegenreformen. Oder so.
     
    »Arolf sagt, ihr wollt bei Fatty aufhören«, sagt Fotti.
    »Ja, überlegen wir«, sage ich.
    »Und was willst du dann machen?«, fragt Fotti.
    »Weiß nicht. In deiner Klasse anfangen und Problemgirls aufreißen?«
    »Haha.« Fotti hält mir den Zeigefinger streng vor die Nase. »Was willst du dann machen?«
    »Weiß nicht.«
    »Du weißt nicht?«
    »Ist eh egal«, sage ich. »Ich bin nicht so stolz, dass ich unbedingt was darstellen muss. Das ist das Problem. Kein Stolz, kein Ehrgefühl. Mein kokainweißer Mittelklassekörper ist mit einem schweren Problem beklebt, das da heißt: Keine Feinde. Alle von sich überzeugten Menschen brauchen Feinde. Kraftvollen Widerstand. Wenn du dasitzt und denkst, du hast alles, begreifst du bald, dass du eins NICHT hast, nämlich was zu verlieren.«
    »Wenn du dich weiter so selber amputierst, wird es dir schlecht ergehen. Tu irgendwas und hör auf zu jammern, Rebel. Wenn du so weitermachst, sitzt du bald vor dem Nichts«, sagt Fotti.
    »Das Nichts ist schon da«, sage ich.
     
    Immer noch Freitagabend. Drei Sachen passieren im Fernsehen, die das Hinsehen lohnen könnten. Erstens: Ein Typ sagt: »Du kannst deinen Arsch drauf verwetten, dass wir so lange analfixiert bleiben, wie das Arschloch nicht als stubenrein gilt!« Zweitens: Ein Neger steckt den Kopf zu einer Tür herein, und bevor er sich noch vorstellen kann, kriegt er zu hören: »Du hier saubermachen?« Drittens: Ein Musikvideo des Nigerianers Fela Kuti namens Don't Gag Me.
    »Nee, keine Sorge«, denke ich.
    Fotti und ich haben heute noch ein paar Stunden im Leermeister gesessen und zugeschaut, wie Ober/Unterzähne mit Bier hin und her gezischt ist. Wir waren beide der Meinung, dass Politik in unserer Zeit ein interessantes Betätigungsfeld sein könnte. Ich habe bislang keine verdammte Sekunde meines Lebens lang an Politik gedacht, aber jetzt kommt es mir relativ logisch vor, sich damit zu beschäftigen. Wenn alles den Bach runtergeht (oder auf die Spitze getrieben wird, wie man will), kann man genauso gern in die Parteipolitik gehen. Reden schwingen, Appelle ausgeben. War doch was. Die Politik könnte verschiedene Vorteile bieten:
     
Sie ist eine Arena, in der man relativ viel Aufmerksamkeit bekommt.
Man erhält Gelegenheit, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen (etwas, was ich bislang für schlecht hielt, aber ich bin bereit, das zu revidieren).
Die politische Arena wird von Idioten bevölkert, folglich herrscht geringe Konkurrenz.
Die politische Korrektheit nervt die Leute allmählich derart, dass jede Meinungsäußerung

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