Macht und Rebel
willkommen ist.
Man darf Reden halten.
Politische Reden zwingen dazu, grob gerastert über praktische Fragen zu sprechen, das passt mir gut. Und man ist genötigt, sich verständlich zu machen. Das ist gut.
Ich trete an mein sparsam bestücktes Bücherregal und nehme Mein Kampf hervor, das ich vor ein paar Jahren wegen des Umschlagdesigns gekauft habe: ein fettes Hakenkreuz in weißem Kreis auf rotem Grund. Würde ein Preis für das beste Design des 20. Jahrhunderts verliehen, ich wüsste, wer es verdient hätte. Gelesen habe ich das Buch nicht, aber jetzt sollte ich das vielleicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch gelesen habe. Die fünf anderen Bücher in meinem Regal sind: Zum Beispiel Mord (eine Hitchcock-Auswahl), Military Intelligence Blunders von Colonel John Hughes-Wilson, Heißer als die Nacht von Susanna Rollins, Geologische Grundbegriffe von Jesper Knudsen und Die Erde ist Stein – Neue geologische Grundbegriffe von Jesper Knudsen und Soren Kofoed. Gelesen habe ich keins davon, und das werde ich auch nicht tun. Wenn ich ehrlich sein will, so weiß ich auch nicht, wo die herkommen, abgesehen von Mein Kampf, das ich mit eigenem Geld erstanden habe.
Früher hatte ich jede Menge Bücher. Vielleicht zwei-, dreihundert. Und ich habe sie sozusagen alle gelesen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt vor rund drei Jahren aber kam es zu einem witzigen Zusammentreffen von praktischen Umständen und einer Überzeugung, zu der ich gelangt war. Die Überzeugung bestand in der Sicherheit, dass mein fürchterlicher Jähzorn an den Büchern lag. Ich hatte ziemlich viel Zeit in Bücher investiert, und das begann mich zu ärgern. Ich war mir immer sicherer, dass sie nichts bewirken, dass sie uneffektiv sind, dass auch die offensivsten Bücher noch passiv machen und nichts als guter alter Eskapismus sind. Der praktische Umstand war, dass ich umziehen wollte. Aus einem Loch in ein anderes. Und diese Kombination von Praxis und Überzeugung führte dazu, dass ich all meine Bücher verbrannte. Arolf fuhr sie mit Fottis Telekasperauto raus zu irgendeinem Parkplatz, ich goss Grillanzünder drüber und steckte sie an: Die Türken – das war in einer Türkengegend, ich verstehe eigentlich nicht, warum es bei uns immer heißt, überall auf der Welt begegne man Isländern, ich würde eher sagen, die Türken sind überall, wo man hinkommt – egal; die Türken wimmelten herbei wie die Motten. Es war Winter, und das Bücherfeuer war schön warm.
Ich habe alle guten Eigenschaften. Ich habe alle guten Eigenschaften, und wozu sind sie nutze? Um Frieden zu schließen. Und Bücher – vermitteln sämtlich gute Intentionen. Es gibt kein böses Buch. Manche wollen unterwandern, stimmt, aber wer unterwandern will, hat in irgendeinem Sinn auch eine positive Intention. Darum brauche ich keine Bücher. Ich habe alle guten Eigenschaften, ich weiß, wie gute und seriöse Intentionen aussehen und wohin sie führen. Und ich brauche keine neuen. Wenn es nach mir ginge, würden SÄMTLICHE Bücher verbrannt – und sei es, um ein bisschen Platz in der Bude zu schaffen. Mal durchzulüften. Nun ist es nicht so, dass ich einen neuen Weltkrieg oder so was befürworten würde; man sieht ja, wohin der letzte geführt hat. Nicht wahr. Direkt in die repressive Toleranzhölle, mit der ich mich schon mein Lebtag herumplage.
Ich stelle fest, dass im Anhang dieser Ausgabe von Mein Kampf eine Auswahl von Hitlers Reden enthalten ist, und lese zunächst mal die. Ich mag den Gedanken an politische Reden. Verdammt, Fotti ist manchmal gar nicht so dumm. Es wäre übertrieben, zu sagen, ich wäre regelrecht begeistert, aber ich bekomme richtig Lust, ein, zwei Reden zu schreiben. Und zwar möglichst sofort.
KAPITEL 4
MACHT
MITTWOCH
Jedes Mal, wenn Tony DeLuca das Wort GANGBANG hört, kneift er den Schließmuskel zusammen. Nicht, weil er es nicht mögen würde, sondern weil sein Chef es nicht mag. Macht sagt es noch einmal, als ob die anderen es eben nicht gehört hätten.
»GANGBANG.«
Es ist Mittwoch morgen, Macht sitzt bei PETROOLEUM in der Geschäftsbesprechung. Es ist halb neun. Macht ärgert sich über Tony DeLuca. DeLuca ist so träge. Macht ist wieselschnell, und es ist für ihn äußerst uninspirierend, dass DeLuca und seine Kompagnons so elend träge sind. Machts Aufgabe besteht in diesem Moment darin, die Vertreter von PETROOLEUM davon zu überzeugen, dass GANGBANG mindestens genauso gut klingt wie CRACKBABY. In der letzten
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