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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matias Faldbakken
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sie teuer an die Wirtschaft verkauft, doch momentan ist er nicht auf FFs Fanzines aus, nein, er braucht noch Material für die Fatty-Offensive heute Abend. FF holt am Tresen zwei Bier – beide für sich – und setzt sich Macht gegenüber, der ihm mit ein bisschen »Arbeit« folgende zwei Geheimnisse entlockt: Geheimnis Nr. 1: Fatty leidet an BED (Binge Eating Disorder) – einem Kontrollverlust in Bezug auf Essen und Gefühle; schlichtes Überfressen, bei dem der Kranke aber, im Gegensatz zur Bulimie, das Gegessene bei sich behält. BED-Kranke nutzen ihren Bauch und das Fett als Schutzwall zwischen sich und der Welt.
    »Problematische Gefühle, Frustrationen, Ängste, Sehnsucht nach Nähe oder Liebe, sexuelle Empfindungen (in Fattys Fall teen-sex, flüstert FF), Wut und Trauer werden mit dem Essen heruntergeschluckt.«
    Geheimnis Nr. 2: Als armer Student hatte Fatty einst in den Semesterferien einen Sommerjob; er musste für das Coffeetable-Book »Kindermund« Zitate erfinden. Die Redaktion des Kursiv-Verlags fand trotz intensiver Recherche nicht genügend echte Sinnsprüche und engagierte einen Haufen Idioten, die sich stattdessen welche ausdenken sollten. Fatty war eine dieser jungen und armen »kreativen« Seelen. Er lieferte eine erkleckliche Anzahl goldener Worte, doch wurden sie samt und sonders von der Redaktion abgelehnt. FF erinnert sich nur noch an eins dieser »Zitate«:
     
    »Mickey macht Ficki bei Minni Maus: rein und raus, rein und raus!«
    (Susanne, sieben)
     
    FF braucht lange, um wenig zu sagen, denn er hat einen guten Teil seiner Hirnzellen mit allem möglichen Junk weggespritzt. Natürlich aus rein ideologischen Gründen. FF hatte früh begriffen, dass es eine reale Wahlmöglichkeit gibt, ob man ein Junkie wird oder nicht, dass man aber im Namen der freien Marktwirtschaft KEINE freie Wahl zum Beispiel des Gesellschaftssystems hat, was ihn dazu brachte, sich fürs Junkietum zu entscheiden, natürlich um »die Pseudoalternativen zu unterlaufen, die der Imperativ des individualfetischistischen Marktliberalismus anbietet«. Anyway; in einem Flugzeug Richtung San Diego durfte FF einst einen Vorgeschmack darauf erleben, wie wunderbar und maßlos schön es sein kann, dank der eigenen Wahl höchste Wertschätzung zu erfahren, nämlich im Krisenfall: Drei unerfahrene Stewardessen standen entsetzt im Gang, über einen ins Koma gefallenen Diabetiker gebeugt, und schrien, sie bräuchten einen Fachmann, der ihm die Insulinspritze setzt. Da teilte FF die Menschenmenge wie Moses das Rote Meer, indem er sprach:
    »Lasst mich durch, ich bin ein Junkie.«
    Und woher hat FF den Spitznamen FF? Mit seinem Fanzine-Fetisch hat das nichts zu tun. Nein, eines grauen Tages vor rund fünf Jahren ließ FF sich zur Mitwirkung an einem Fistfuck-Porno namens Fisting Fiesta überreden, um, wie er es formulierte: »mir eine raised fist in meinen vor lauter Konventionen verklemmten Anus zu schmuggeln; einfach, um ein bisschen lockerer zu werden, die Regeldiktatur abzuschütteln und ein bisschen Licht in die finstere Nacht der Normen scheinen zu lassen.« Nun, dass sein »vor lauter Konventionen verklemmter Anus« ordentlich verklemmt war, kann man nur bestätigen, denn die Faust, die sich da in ihn hinein »schmuggelte«, schuf einen enormen Überdruck in seinem Darm, und die Luft entwich mit einem derart unbeschreiblich lauten Geräusch durch den schietengen Spalt zwischen FFs Rosette und dem Unterarm des Spielgefährten, und mit einem solchen Timbre, wie keiner der erfahrenen Jungs am Set es jemals gehört hatte, so dass alle Anwesenden erstens mit Lachanfällen zusammenbrachen und zweitens höchstens sieben oder acht Sekunden brauchten, um den EXTREM zählebigen Spitznamen FISTING FURZ zu erfinden (später zu FF verkürzt).
    Auf der PUSH-Party heute Abend soll FF ein neues Fanzine lancieren und ein paar Busse dekorieren. Er persönlich veröffentlicht in dem Fanzine ein bisschen selbst gedichtete Dope-Lyrik, die er glücklich zitiert:
     
    Brugs
    Screw
    Your
    Drain
     
    And
    Who
    Shat?
     
    Und in dem Augenblick, als FF die letzte Silbe aus seiner rauchgebeizten Luftröhre presst, öffnet Rebel in seiner Wohnung auf der Nordseite der Stadt die Augen, schluckt und spürt, dass er ein lighthead ohnegleichen hat. Ein lighthead als die typischste Folge von Unterernährung. Seine Träume haben sich bewahrheitet. Rebel mag nicht mehr essen. Anders als Fatty. Rebel begreift gar nicht, warum so wenige Menschen sich vom Essen

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