Macht und Rebel
Nasenwurzel unmöglich auf einen Typen hindeutet, der militant gegen Striptease wäre. Und falls er es wider Erwarten doch sein sollte, aus »Überzeugung« oder so, dann gibt es dennoch eine Chance, dass aufgrund der Besoffenheit sein »wahres Ich« die Steuerung übernommen hat. Er springt ins kalte Wasser.
»Hei, Remmy, du findest Striptease klasse, oder?«
»HÄH! Striptease? HÄH? Striptease?«
»Mmmja.«
»Klar, finde ich saugeil. Bin ich voll scharf drauf. Warum?«
Macht atmet auf und beglückwünscht sich mal wieder für seine Menschenkenntnis.
»Nein, ich hab so'n Kumpel in einer fetten Beratungsfirma, und die machen heute eine Party in einer Striptease-Bar. Können wir einfach hingehen. Lust?«
»Klar hab ich Lust, verdammte Scheiße! Trink aus! Los schon! Was wartest du noch?« Wilderen Blicks denn je, schüttet Remmy in drei Sekunden einen knappen halben Liter Bier in sich hinein.
An der Tür vom BOOTA CLUB, den WODDY für den Abend gemietet hat, begrüßt sie Johnny P, und Macht stellt ihn Remmy als seinen »Freund aus der Geschäftswelt« vor, nur interessiert Remmy sich momentan nicht weiter für Herren im Anzug. Wollte man Remmy Bleckners Vor- und Nachnamen durch Adjektive ersetzen, müssten es gerade »hysterisch« und »übereifrig« sein. Er zerrt und zuppelt an Machts Taxi Driver- Jacke herum und quengelt wie ein kleiner Junge, dass sie endlich reingehen sollen.
»Wir stehen hier und quatschen und verpassen jede Menge Tanga-Action, Macht, ich will da reeeeeeein!!«, fleht er mindestens drei Mal, bis Johnny P Macht endlich zunickt und sie hineinlässt.
Zwei der Mädels, die da an den Stangen zugange sind, scheinen sich ziemlich zu langweilen, zwei weitere schlängeln sich mit einer gewissen Einfühlung ums Stahlrohr. Remmy scheint es egal zu sein, ob sie halbherzig agieren oder engagiert. Rund drei Minuten lang blickt er die Mädchen starr wie eine Salzsäule aus völlig durchgedrehten Augen an, dann beginnt er ihnen Obszönitäten zuzurufen. Derart heftige Obszönitäten, dass eine der Frauen innehält und ihn auffordert, sich »gefälligst zusammenzureißen«.
»Oooooooh!«, ruft Remmy glücklich, »stehen wir da in unserem Gummitanga und scheißen die Kunden an? Häää? Hab gar nicht gewusst, dass hier welche von der Sitte arbeiten!« Er lacht so laut und nachdrücklich, dass die Stripperin einen Probeschluck von seinem Bieratem abbekommt. Sie dreht ihm den Hintern zu – als wäre ausgerechnet das in einer Striptease-Bar eine Geste der Ablehnung – und tanzt weiter.
Macht verfolgt den Auftritt zufrieden.
»Alles ist zutiefst chaotisch«, denkt er still. »Auf keinen Fall … niemals vergessen, wie chaotisch alles ist. Benutze es.«
Es wird vier Uhr morgens. Irgendwann fängt Remmy an, den Stripperinnen Münzen in die Slips zu stecken, da nimmt Macht ihn mit hinaus. Sie gehen noch auf einen Absacker zu zweit in Remmys »Wohnung«, verteufelt weit draußen in der Vorstadt. Macht bemerkt diverse interessante Dinge in dieser »Wohnung«, darunter eine rote Flagge mit schwarzem Schriftzug:
©ounter ©ulture
Er fragt Remmy, dessen Augen jetzt tiefrot sind, wo er die Flagge her hat, aber Remmy stürzt einen Gin Tonic herunter, lallt wie ein alter Alki und pennt weg, die brennende Zigarette in der Hand. Kein Gespräch mehr heute Abend. Macht sitzt noch fünf Minuten da und sieht zu, wie Remmys Zigarette sich durch das weiße SlayStation- Kapuzensweatshirt brennt. Dann nimmt er ein Taxi nach Hause. Der Taxifahrer trägt einen Turban und ähnelt Robert De Niro nicht gerade, doch dem Zucken seines Halses nach zu urteilen, hätte er durchaus kein Problem damit, bei Gelegenheit einen, zwei Skandinavier zu liquidieren.
KAPITEL 7
PUSH-PARTY NR. 5
SAMSTAG
Noch vor neun Uhr früh wacht Macht auf, denn das Telefon klingelt, und er bekommt am Hörer von einem älteren Journalisten, mit dem er letzte Woche Kontakt hatte, Hasse Cashavettes' polizeiliches Führungszeugnis vorgelesen. Ein Mal Marihuana-Besitz in den Siebzigern, ein paar Verkehrsverstöße, das war's. Macht weiß über seine geschäftlichen Kontakte gern Bescheid. Er hört aufmerksam zu und ärgert sich ein wenig über die Manie des alten Journalisten, links und rechts an allem herumzuverbessern. Unglaublich, wie wichtig ihm die Aussprache von Namen und Orten ist. An allem muss er rumverbessern.
»Man hat wohl keine Privatbibliothek, ohne irgendwie pedantisch zwanghaft zu sein«, denkt er und weiß gar nicht, wie
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