Macht und Rebel
will an meinen Körper«, sagt Mendoza, zieht auf der Stelle das T-Shirt mit dem Logo
aus, wobei er seinen gut gebauten Latino-Oberkörper entblößt, und reißt das Fatty-Produkt in Fetzen. Dann geht die ganze Gang die Treppe runter und zu Siegfried hinein, der sich lächelnd zu ihnen umdreht, ja, lächelnd.
Ganz sicher wird Siegfried keine – moralischen – Probleme haben, ihre Wünsche zu erfüllen. Jetzt eben zum Beispiel legt er letzte Hand an sein jüngstes Werk an, eine naturgetreue Abbildung des Covers von David Dukes Buch My Awakening; A Path To Racial Understanding (»… a minor Mein Kampf«, Abraham M. Foxman), mit einem Porträt von Duke und allem –, das den gesamten Rücken eines Mittdreißigers bedeckt, den Siegfried mit »Oberst Stan« anspricht. Rebel hatte gedacht, jetzt würde sonst niemand bei Siegfried sein, und hofft, dass Oberst Stan – der höchstwahrscheinlich in Bezug auf Rassen und Hautfarbe und so gewisse Ansichten hegt – mit den Jungs keinen Zerbel macht und alles verdirbt, aber als er sich dem fetten Kreuz des Obersten nähert, sieht er die zerschrammten Einbände von drei Büchern in der Tragetasche des Tattoo-Kunden:
Proof of Negro Inferiority (Alexander Winchell)
1001 Quotes By and About Jews (Willie Martin)
Asian Race and Reason, a Yankee View (Carlton Putnam)
Oberst Stan ist ganz offensichtlich ein Angehöriger der alten Schule; Rebel nickt den Einwandererjungs beruhigend zu und deutet auf die kleine Bibliothek:
»Da bitte. Wie ich's gesagt hab. Es geht um Gooks, Niggers and Jews , nicht wahr. Arabs and Spicks haben nichts zu befürchten.«
Die Jungs nicken zurück, Oberst Stan steht auf und grüßt höflich Rebel und die Einwandererjungs, die mitten im Studio stehen, Mendoza oben ohne, die anderen in weißen T-Shirts. Die Jungs und Rebel erwidern den Gruß. Gold-Sultan macht Oberst Stan ein Kompliment, »Voll krass, das Tattoo, echt ey«. Gute Stimmung. Siegfried bittet den Oberst, sich wieder zu setzen, und überzieht seinen ganzen blutenden Rücken mit einer Gazebandage. Der Oberst zieht sich ein türkisblaues Seidenhemd über und reicht allen fünfen plus Siegfried noch einmal die Hand, dann nimmt er seine Tragetasche und geht zur Arbeit oder zu seinem Clantreffen oder zum Kindergarten, die lieben Kleinen abholen, oder zu seiner Mutter, die sich das Handgelenk gebrochen hat, als sie vor zwei Wochen von einer Bande Negerjungs überfallen und ausgeraubt wurde, oder er geht nach Hause und zappt ein bisschen im PORNODROME herum, vor allem zwischen Kanal 73 (dog/dog/bitch), Kanal 29 (horse/bitch/dwarf), Kanal 319 amputel (dwarf/dwarf/dwarf/dwarf/dwarf/dwarf/dwarf/dwarf/bearded bitch/bearded bitch/mule) und Kanal 117 (bitch/kid/kid-dwarf/kid-dwarf/gay/pregnant teen-lesbian), oder er geht ins Krankenhaus, seine hirntote Schwester besuchen, je nachdem. Oberst Stan hat mehr als einen Fixpunkt im Leben, um es mal so zu sagen.
Erst tätowiert Siegfried Rebel und allen vier Einwandererjungs
in Old Cologne Regular-Font quer über die Schultern.
Danach geht er systematisch die Lieblingsmotive der ganzen Gang durch und tätowiert sie ihnen entweder mitten auf die Brust oder mitten auf den Rücken, je nach Wunsch.
Mendoza entscheidet sich für
in schwarz-weiß, auf die Brust, Jorge wählt
und lässt es sich zwischen die Schulterblätter stechen. Apollo, der größte, muskulöseste, breitschultrigste der Jungs, bekommt
quer über den Rücken, und Siegfried ist mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er schnell seine Polaroidkamera holt und fünf Schnappschüsse macht; Apollo posiert freudig und lässt die Muskeln an seinem wuchtigen, braunen Latinorücken spielen.
Gold-Sultan nimmt die Goldkette ab, um Arbeitsfreiheit für dieses Motiv
zu schaffen, dazu
unten direkt über dem Hosenbund.
Während Siegfried ihm den guten alten Wahlspruch der Waffen-SS in den Rücken nadelt, gibt Gold-Sultan seine Gedanken über diesen Slogan zum Besten:
»Ehre soll heißen, is Gruppe mehr wischtisch als isch, oda ey. Isch halte zu Gruppe. Is Gruppe zusammen mehr wert als isch, oda. Will isch wieder Stolz zurück. Is kein Menschen stolz in dies Land. Alles Huren. Is Westen Ort für feige Leute, oda. Nisch Gruppen, weil sind alle feige, ey. Ehre is Macht, ey. Tussen mögen Ehre, voll korrekt.« Rebel kommt als Letzter dran. Er wählt
auf die Brust,
in den Nacken und
in einem Bogen über den Bauchnabel. Das Letzte ist sowohl Wiederholung als auch Bestätigung als auch
Weitere Kostenlose Bücher