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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Bremmer
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Radisson.
    Statt mit dem gleichrangigen Wen Jibao zu verhandeln, musste sich der amerikanische Präsident mit He Yafei begnügen, einem stellvertretenden chinesischen Außenminister, der nicht nur für sein hervorragendes Englisch bekannt war, sondern auch dafür, dass er es gerne einsetzte, um – bisweilen mit provokativen Argumenten – die Weltsicht seines Landes zu propagieren. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy drängten China und Indien, sich bei der Reduktion der Treibhausgasemissionenauf verbindliche Ziele festzulegen. China und Indien verkündeten, sie könnten kein Dokument unterstützen, das klare numerische Ziele festlege, selbst wenn sie nur für Europäer und Amerikaner gelten sollten. Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg fragte die Mitglieder der indischen Delegation, warum sie den Plan ablehnten, den sie einige Stunden zuvor selbst vorgeschlagen hätten. Präsident Mohamed Nasheed von den Malediven, einer Inselkette, die etwa zwei Meter über dem Meeresspiegel im Indischen Ozean liegt, wollte von der chinesischen Delegation wissen, warum sie verlange, dass sein Land »ausgelöscht« werde. Sarkozy beschuldigte die Chinesen der »Heuchelei«. He Yafei hielt den anwesenden Staatschefs eine Vorlesung über die durch die industrielle Revolution verursachten Umweltschäden. Mehrere Nichtregierungsorganisationen beschuldigten die Vertreter des Westens, ein Abkommen zu verhindern, und einige Journalisten beschuldigten Obama, Europa zu verraten, weil er China ungeschoren davonkommen lasse. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez wollte nicht unbemerkt bleiben und bezeichnete Obama als den Teufel. Und so endete eine Zusammenkunft, die Gordon Brown, damals noch britischer Premier, zur »wichtigsten Konferenz seit dem Zweiten Weltkrieg« hochgelobt hatte, in Verbitterung und mit widersprüchlichen Berichten über die Geschehnisse – und ohne jeden Fortschritt, was ein sinnvolles Abkommen betraf.
    Hier jedoch kommt die wichtigste Erkenntnis: Der Gipfel scheiterte nicht, weil China brüskiert wurde, weil Indien unentschlossen ist, weil die Europäer halsstarrig sind oder weil Obama der Fürst der Finsternis wäre. Er scheiterte erstens, weil die führenden und die im Aufstieg begriffenen Akteure nicht annähernd genug Gemeinsamkeiten besaßen, um ein Abkommen zu schließen, das allen Seiten Opfer abverlangt hätte, und zweitens, weil kein einzelnes Land und kein Block von Ländern genug Macht besaß, um eine Lösung zu erzwingen.
    Diese Auseinandersetzung ist ein hervorragendes Beispiel für den G-Null-Zustand und die Gründe für seine Existenz. Im Aufstieg begriffene Mächte wie China, Indien, Brasilien und Südafrika behaupten, 150 Jahre Industrialisierung im Westen hätten fast den gesamten Schaden angerichtet, der heute die Klimawissenschaftler in Angst und Schrecken versetzt. Ihrer Ansicht nach haben Amerikaner und Europäer nichtdas Recht, von den Entwicklungsländern eine scharfe Begrenzung ihres Wachstums zu verlangen, um den Schaden zu reparieren, den die reichen Länder angerichtet haben. Das ist eine verständliche Position. Die etablierten Mächte entgegnen, dass die Entwicklungsländer in den kommenden Jahrzehnten den größten Teil der Umweltschäden anrichten würden. Und sie fügen hinzu, dass der Klimawandel ein globales Problem sei, das selbst dann nicht ohne einen erheblichen Beitrag der Entwicklungsländer gelöst werden könne, wenn Amerika und Europa ihre Emissionen auf Null senkten. Das ist auch eine verständliche Position. Wie bei so vielen politischen und wirtschaftlichen Fragen der heutigen Welt besteht jedoch das wirkliche Problem darin, dass sich die etablierten und die aufsteigenden Mächte darauf einigen müssten, sowohl den Gewinn als auch die Lasten gemeinsam zu tragen. Nichtstun macht alles viel schlimmer.
    Dies ist die Herausforderung der G-Null-Ära. Um Konflikte zu verhindern, das Wachstum der Weltwirtschaft zu gewährleisten, für die Deckung unseres Energiebedarfs zu sorgen, eine weitsichtige Handels- und Investitionspolitik durchzusetzen, transnationalen Gesundheitsgefahren zu begegnen und viele andere Herausforderungen zu bewältigen, braucht die Welt Führungsmächte, die willens und bereit sind, Lasten auf sich zu nehmen und Kompromisse durchzusetzen. Heute jedoch sind viele Staaten fraglos stark genug, um die internationale Gemeinschaft am Handeln zu hindern, aber keiner besitzt die

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