Machtkampf
der sich auf den Weg konzentrieren musste, den ihm Mompach erklärt hatte. »Alles geschieht zu dem Zeitpunkt, zu dem der Pfarrer in einen bösen Verdacht gerät.«
Er stoppte den weißen Dienst-Mercedes vor dem Gebäude, das zu den ältesten im Dorf zu gehören schien, jedoch liebevoll restauriert worden war. Gleich dahinter ragte der spitze Kirchturm über das Dach hinweg.
Kaum hatte Häberle geklingelt, wurde die Tür geöffnet. Der kräftige Mann, der vor ihnen stand, überragte sie um einen halben Kopf. Die Augen waren gerötet, die Haare ungekämmt und das Gesicht blass und faltig. Er sah die Besucher unsicher an, während der Kommissar ein freundliches Lächeln aufsetzte und sich und Linkohr vorstellte.
»Kripo?«, wunderte sich Kugler. »Jetzt auch noch die Kripo?«
»Dürfen wir einen Moment reinkommen?«, fragte Häberle zurück und trat gleich einen Schritt vor. Der Pfarrer wich zur Seite, während im dunklen Flur seine Frau erschien. Häberle entschuldigte sich für die Störung und erklärte, dass es eine reine Routineangelegenheit sei. »Es geht um die Kerze, die Ihnen meine Kollegen gezeigt haben«, fuhr der Ermittler fort und spürte den heißen Atem des hünenhaften Mannes, der so groß und stark war, aber müde und antriebslos wirkte.
Kugler führte die Kriminalisten in das Wohnzimmer, wohin ihnen auch seine Frau folgte. »Wenn jetzt auch noch zwei Kriminalisten kommen, wird’s keine gute Nachricht sein, die Sie mir überbringen wollen«, stellte er fest, während sie sich alle auf der Couch und den Sesseln niederließen.
»Wir wissen, dass Sie im Moment große Schwierigkeiten haben«, begann Häberle langsam. Frau Kugler blickte unruhig in die Runde. »Die Kerze«, griff der Kriminalist nach kurzer Pause das Stichwort wieder auf, »stammt aus Ihrer Kirche. Ob nun das, was Ihnen mein Kollege Wissmut gestern eröffnet hat, in einem Zusammenhang damit steht, versuchen wir zu eruieren.«
Kugler schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. »Manchmal meine ich, der Teufel geht hier um.«
Frau Kugler verfolgte mit Sorge, welchen Gefühlsschwankungen ihr Mann inzwischen ausgesetzt war. »Es ist für uns nicht einfach, mit einer solchen Anschuldigung umzugehen.«
»Wie gesagt«, beschwichtigte Häberle, »wir beide, mein Kollege und ich, sind nur wegen der Kerze hier.« Linkohr war in dieser angespannten Atmosphäre erleichtert, nicht der Wortführer sein zu müssen. Wieder einmal bewunderte er insgeheim seinen Chef, der in solchen Situationen das nötige Einfühlungsvermögen hatte. »Ihnen ist natürlich auch bekannt – nehme ich an –, was sich am Dienstagnachmittag hier ereignet hat.« Häberle räusperte sich. »Dieser mutmaßliche Suizid des Herrn Hartmann.«
»Mutmaßlich?«, wurde Kugler jetzt hellhörig. »Wieso denn mutmaßlich?«
Häberle erklärte, dass erst endgültig von einer Selbsttötung gesprochen werden könne, wenn die Ermittlungen abgeschlossen seien. Er sah zu Linkohr, was dieser als Aufforderung verstand, sich nun ebenfalls in das Gespräch einzuschalten. »Wir sind gerade dabei, das persönliche Umfeld des Herrn Hartmann abzuklopfen. Er scheint in Rimmelbach eine interessante Persönlichkeit gewesen zu sein.«
»Was heißt ›interessant‹?«, zuckte Kugler kraftlos mit den breiten Schultern. »Er war wohl ziemlich vermögend, wie man so hört. Dass er sich einen jungen Russen als Adjutanten angelacht hat, ist hier oben auf der Alb vielleicht nicht gerade üblich.« Ein schwaches Grinsen huschte über sein breites Gesicht. »Na ja, man hat ihm so allerlei Geschichten von Rotlichtmilieu und so nachgesagt. Aber Sie wissen selbst, meine Herren, wie so etwas auf dem Dorf breitgetreten wird.«
Linkohr hatte den Eindruck, Kugler spreche ihn direkt an, weshalb er sich zu einer Frage ermuntert fühlte. »Hat er sich denn auch in das Dorfgeschehen von Rimmelbach eingemischt?«
Noch ehe der Pfarrer die richtigen Worte finden konnte, fuhr seine Frau dazwischen: »Das kann man wohl so sagen. Hartmann hat auch gegen meinen Mann gehetzt.«
Kugler gab seiner Frau mit einer Handbewegung zu verstehen, sie möge sich zurückhalten. »Ganz so streng möchte ich das nicht sehen. Herr Hartmann war eben ein Jagdfreund von Mompach und auch Mitglied der örtlichen Jagdgenossenschaft. Soll ja ein elitärer Kreis sein, hier auf dem Lande. Und Mompach wiederum hat bei meiner Bewerbung für die hiesige Pfarrstelle eine – na ja, sagen wir mal – nicht gerade rühmliche
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