Machtkampf
gestellt wurde – da haben Sie wohl keine verdächtigen Wahrnehmungen gemacht?«
Kugler schluckte. Er spürte einen Kloß im Hals und ließ einige Sekunden verstreichen. »Nein, hab ich nicht. Aber …«, er wischte sich mit der flachen Hand über die faltige Stirn und schloss dabei die Augen, als versuche er, sich zu entspannen, »ich war draußen. Frische Luft schnappen.«
Seine Frau drehte den Kopf ruckartig zu ihm. »Du warst …?«
»Ja, ich konnte nicht schlafen und bin raus in den Garten. Das hast du gar nicht bemerkt.« Dann wandte er sich an die beiden Kriminalisten: »Es war kurz nach zwei. Sternenklarer Himmel.« Er zögerte, wollte aber das Schreckliche gleich selbst ansprechen: »Sie glauben doch nicht etwa, dass ich …?«
Häberle tat so, als überhöre er die Frage. »Haben Sie denn etwas gesehen oder gehört? Etwas Ungewöhnliches? Um diese Zeit dürfte in Rimmelbach kaum noch jemand unterwegs gewesen sein.«
Kugler sah wie in Trance an den beiden Ermittlern vorbei zum Fenster, hinter dem sich der zähe Nebel jetzt langsam auflöste.
7
»Du sollst doch nicht hierherkommen«, schnaubte Sandra Kowick bissig, als sie zwischen all dem verrosteten Gerümpel, das sich hinter der Scheune türmte, ihren Ex-Mann Arnold auftauchen sah. Mompach hatte sie an diesem nebligen Vormittag angewiesen, die Gerätschaften vor dem Winter zu reinigen und zu ordnen. Ihre Hände waren klamm, sie fror, obwohl sie sich eine dicke Arbeitsjacke übergezogen hatte.
Arnold wirkte nervös und blass. Ihm war übel und ihn plagten nach den Ereignissen der vergangenen Nacht heftige Kopfschmerzen.
Sandra musterte ihn kritisch. Er hatte offenbar seit ihrem letzten Zusammentreffen vor zwei Wochen wieder abgenommen. Seine Gesichtsfarbe war fahl, seine abgewetzte Lederjacke hing über den schmalen Schultern. »Entschuldige«, brachte er aus trockener Kehle hervor. Seine Hände waren tief in die Jackentaschen vergraben. »Aber ich muss dringend mit dir reden.«
»Hier? Weißt du nicht, was hier vergangene Nacht passiert ist? Wir sollten uns hier nicht treffen.«
Er nickte und sah sich vorsichtig um. Er wollte nicht unbedingt mit Mompach konfrontiert werden. Denn dieser konnte ziemlich unfreundlich werden, wenn seine Angestellte von der Arbeit abgehalten wurde.
»Ich weiß, was passiert ist, Sandra. Gerade deshalb muss ich mit dir reden.«
Sie rieb sich die schmutzigen Hände an der blauen Arbeitshose sauber und trat aus dem Gewirr von alten landwirtschaftlichen Geräten, abgefahrenen Reifen und Strohballen näher zu ihm. Im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann wirkte sie gut genährt, nur ihre Haare hingen ungepflegt über die Stirn. »Was ist los mit dir?«
»Jemand hat bei mir vergangene Nacht eingebrochen«, sagte er mit gedämpfter Stimme und sah ihr in das rotwangige Gesicht.
Sandra brauchte ein paar Sekunden, um diese Nachricht zu realisieren. »Eingebrochen? In die Wohnung?« Sie hielt seinen Blicken stand.
»Eingebrochen, ja.«
»Und? Warum kommst du extra her, um mir das zu sagen?«
Arnold hatte sich die Worte zurechtgelegt. »Weil etwas gestohlen wurde, was uns beide betrifft.«
Sie sah sich ängstlich um. »Uns beide?«
Er zitterte und wusste nicht, ob es die kalt-feuchte Nebelluft war, die ihn frösteln ließ, oder der Gedanke an die möglichen Folgen des nächtlichen Geschehens. »Ja«, flüsterte er. »Die Akte.«
Die Gesichtszüge seiner Ex-Frau veränderten sich, ihre Augen blitzten ihm aus schmalen Schlitzen entgegen. » Die Akte ?« Sie wiederholte die Worte, als könne sie nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. » Unsere Akte?«
Er nickte. Jetzt war es raus.
Schulleiterin Karin Stenzel ging auf Distanz. Sie hatte dem Kriminalisten aus dem Sittendezernat höflich, aber unterkühlt einen Platz am Besprechungstisch angeboten, während sie sich hinter ihrem Schreibtisch niederließ. »Sie können sich denken, dass es für eine Schulleiterin nicht gerade angenehm ist, jeden Tag die Polizei im Haus zu haben.«
Martin Wissmut nickte und schlug seinen mitgebrachten Schnellhefter auf. »Ich will Sie nicht lange behelligen – und ich kann Ihnen versichern, dass wir die Angelegenheit so diskret wie möglich behandeln.«
»Das mag aus Ihrer Sicht stimmen, aber Sie wissen genauso gut wie ich, wie schnell etwas an die Öffentlichkeit dringt. Die Neigung, sich wichtigzumachen, ist weit verbreitet. Und die Medien fallen wie die Geier über solche Themen her.«
Wissmut wollte nicht widersprechen. Er
Weitere Kostenlose Bücher