Machtkampf
nach.
»Arnold, ihr inzwischen geschiedener Mann, hat ziemlich schnell seine Ländereien verkauft. Natürlich an Mompach. An wen auch sonst? Was aber im Übrigen nichts mit der gescheiterten Ehe zu tun hatte. Die Kowicks zählen zu jenen, die mit ihrer kleinen Landwirtschaft früher oder später ohnehin keine Chance mehr gehabt hätten. Ich denke auch, dass Kowick in seinem erlernten Job als Kfz-Mechaniker in Ulm jetzt mehr verdient, als ihm die Landwirtschaft jemals eingebracht hat.«
»Wo ist die Frau denn untergekommen?«
»Das hat sich so ergeben. Beinahe eine Ironie des Schicksals. Oder vielleicht doch eine göttliche Fügung, könnte man meinen.« Kuglers Augen wurden lebhafter. »Dieser Mompach hat eine Hilfskraft gebraucht und ihr auch gleich Unterkunft in einem seiner alten Häuser angeboten. Vermutlich darf sie dort kostenlos wohnen, und er zahlt ihr nur einen Hungerlohn, damit sie wenigstens krankenversichert ist und einigermaßen über die Runden kommt.«
Betretenes Schweigen, das Frau Kugler nach einigen Sekunden schließlich mit zaghafter Stimme durchbrach: »Kinder, die in einem solchen Milieu aufwachsen, neigen dazu, sich mit erfundenen Geschichten wichtigzumachen.«
»Insbesondere«, ergänzte ihr Mann, »wenn sie glauben, mit ihrem Verhalten das Wohlwollen Erwachsener gewinnen oder fehlende Zuneigung durch Mitleid hervorrufen zu können.«
Häberle wollte nicht darauf eingehen. Mit dieser Frage würden sich bald gerichtlich beauftragte Gutachter beim Landgericht Ulm auseinandersetzen müssen. »Noch eine ganz andere Frage, die Sie jetzt nicht missverstehen dürfen«, wechselte Häberle das Thema. »Als Sie vorgestern Nachmittag bei meinem Kollegen Wissmut in Geislingen waren, da sind ihm Ihre schmutzigen Schuhe aufgefallen.«
»Wie bitte?« Kugler richtete seinen zusammengesunkenen Oberkörper auf und kniff die Augen zusammen. »Was hab ich?« Seine Frau wurde bleich.
Häberle hob beschwichtigend die Arme – eine Geste, die jedweder Bemerkung die Schärfe nehmen sollte. »Es ist nur eine Routinefrage, wie wir Kriminalisten sie immer stellen, wenn uns etwas auffällt.«
Linkohr kam ihm zu Hilfe: »Für vieles, was uns von Berufs wegen interessieren muss, gibt es meist ganz harmlose Erklärungen.«
»Und…«, Kugler war sichtlich irritiert, »…und meine schmutzigen Schuhe…? Die sind von Interesse?«
Häberle lächelte. »Ich bin davon überzeugt, dass es eine ganz einfache Erklärung gibt.«
Frau Kugler schien der Atem zu stocken. Sie saß regungslos in ihrem Sessel und starrte ihren Mann an.
»Natürlich gibt es das«, hatte er sich wieder gefangen. »Auf der Fahrt zu Ihrem Kollegen musste ich austreten.« Er sah verlegen in die Runde. »Ich wollte bei der Kripo ja nicht gleich auf die Toilette.«
Der Chefermittler nickte verständnisvoll. »Irgendwo zwischen Rimmelbach und dem Geislinger Stadtrand haben Sie angehalten, nehme ich an.«
»Ja, natürlich. Genau genommen bei den Sportplätzen kurz vor Geislingen, im Eybacher Tal. Ich bin kurz in ein Gebüsch, aber das Gewitter war schon aufgezogen.«
Häberle nickte ihm aufmunternd zu. »Sehen Sie, es gibt für vieles eine ganz simple Erklärung.«
Kugler konnte sich über diesen beruhigenden Hinweis nicht freuen. »Sie haben jetzt aber nicht geglaubt, ich sei bei Hartmann am Hochsitz gewesen?« Er sah die beiden Kriminalisten misstrauisch an.
»Rückschlüsse ziehen wir erst, wenn wir aus vielen Mosaiksteinchen ein Bild zusammengefügt haben«, erwiderte Häberle. »Und momentan basteln wir an vielen Bildern – mit ganz vielen Mosaiksteinchen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, ob und was draus wird.«
»Aber es heißt doch, Hartmann habe Selbstmord begangen«, wandte Frau Kugler ein. »Wieso dann dieser ganze Aufwand?«
Häberle reagierte schnell: »Weil es vergangene Nacht diese versuchte Brandstiftung mit der Kirchenkerze gegeben hat und weil nicht auszuschließen ist, dass der Tod von Herrn Hartmann in einem Zusammenhang damit stehen könnte.«
»Und die Anschuldigungen gegen meinen Mann wohl auch«, ergänzte Frau Kugler bitter.
»Diese aber«, konterte Häberle, »können dabei auch eine ganz andere Rolle spielen, als es momentan den Anschein hat.«
Das Ehepaar stutzte, ohne die Feststellung des Kriminalisten vertiefen zu wollen. Der überlegte, ob er eine weitere kritische Frage stellen sollte, und entschied sich, es zu tun: »Vergangene Nacht, als irgendwann die brennende Kerze in Mompachs Scheune
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