Machtrausch
bestimmter Kreise zutrifft, alles nur irgendwie Denkbare zu unternehmen, um ausgerechnet dich auf den Platz des Chefstrategen zu fördern. Man nimmt es sogar auf sich, dich indirekt aber wirkungsvoll zu bedrohen, indem man einer Bekannten deiner Frau den Finger abhackt. Man schickt dir das Foto und zwingt dich zu etwas, was ohnehin dein größter Wunsch war: Karriere machen! Was jeder Bürobote bei uns wusste! Und dann wirft man vorsichtshalber den guten Röckl aus dem Fenster, um die Sache noch etwas zu beschleunigen. Kurz, bevor er ohnehin zum Abdanken gezwungen werden sollte, was er, nach seinen Aussagen dir gegenüber, sogar brav mitgemacht hätte. All seine Unterlagen zu laufenden Themen verschwinden – husch, husch! – prompt auch gleich noch aus seinem Büro. Und keiner schöpft Verdacht, bloß der kleine Dr. Glock schreibt einen anonymen Hinweis an die Polizei. Mal sehen, ob das ein wenig Staub aufwirbelt .« Rauch, der während seiner Rede bereits heftig der Brotzeit zusprach und beim dritten Bier angekommen war, wurde immer lauter, bis Glock ihm ein Zeichen gab, doch bitte die Lautstärke ein wenig zu drosseln. Leiser machte er weiter:
»Kleine Nebenhandlung: Nagelschneider, den ich übrigens für unschuldig am Tod von Röckl halte, will mich, den treuesten Diener der Firma, ruchlos entsorgen. Doch Glock, der glückliche Ritter, tritt dem mutig entgegen. Ob’s ihm gut bekommt, wissen wir noch nicht .« Beide stießen mit den Biergläsern an und es klirrte laut. Zwischenfrage von Glock:
»Warum glaubst du nicht, dass Nagelschneider in den Tod von Röckl verwickelt ist? Nur, weil Renate mir gesagt hat, er gehöre zu den Traditionalisten? Wir wissen ja nicht mal, ob die Kapitalvertreter wirklich die Bösen sind. Das vermuten wir nur. Und wir vermuten auch nur, dass all dies etwas mit dem angeblichen Machtkampf oben zu tun hat, oder! ?«
»Klar, Anton, es könnte auch etwas damit zu tun haben, dass Röckl auf der Münchner Golf-Rangliste der Innersten Führungsgruppe letztens Nagelschneider überholt hat. Bevor wir nach so weit entfernten Lösungsansätzen suchen, sollten wir uns auf das Offensichtliche konzentrieren. Okay?!«
»Okay .« , gab Glock zustimmend zurück. Er schätzte die direkte Art des Alois Rauch.
»Und Nagelschneider hat vermutlich nix mit dem Röckl’schen Fenstersturz zu tun, weil sein alleiniges Interesse zu sein schien, Röckl mittels vorzeitiger Pensionierung aus dem Job zu drängen. Und, nach deiner eigenen Aussage, war Röckl dazu ja, wenngleich auch widerstrebend, durchaus bereit .«
»Stimmt. Wer aber dann? Und nach selbiger Logik hätte Nagelschneider dann auch nichts mit der Erpressung meiner Person zu tun, denn er wusste ja ganz genau, dass ich den Job annehmen und dann loyal für ihn arbeiten würde«, führte Dr. Glock den Gedanken weiter.
Sie verstummten kurz, da die Bedienung in dem mitt-lerweile brechend vollen Lokal die Teller abräumte und zwei frische Bier brachte.
»Nun, bei der Interpretation der Vergangenheit versagen wir wohl jämmerlich. Also prophezeie ich dir, lieber Anton, was als nächstes passieren wird«, setzte Rauch seinen ungläubigen Chef in Erstaunen.
»Nämlich? Ich lobe einen Kasten Augustiner Edelstoff aus, falls du als Nostradamus erfolgreich sein solltest .«
»Gebongt. Also: Der Fingerschnippler meldet sich wieder bei dir und wird dir sehr konkrete Anweisungen geben. Es gibt einen ganz bestimmten Grund, warum man diesen barbarischen Akt der Gewalt an eurer Freundin verübt hat. Ja, man ging natürlich absolut auf Nummer Sicher, dass du den Job auch wirklich antrittst. Aber eigentlich geht es darum, in dieser Schlüsselposition jemanden sitzen zu haben, den man in der Hand hat! Nagelschneider gegenüber bist du – abgesehen von meinem Nicht-Rausschmiss – sowieso absolut loyal. Die Leute mit dem Hang zum Fingerschnippeln aber haben dich jetzt total unter Kontrolle, weil du vor ihnen nämlich höllisch Angst hast. Weil du nämlich genau weißt, sie könnten die Fingernummer jederzeit mit Barbara wiederholen …«
Glock blieb das Bier im Halse stecken.
»Was mache ich jetzt? Soll ich morgen zu Nagelschneider gehen, nein, ich bin ja in Hannover. Gib mir einen Rat, verdammt noch mal !«
Man merkte Rauch die dreieinhalb Bier keineswegs an:
»Erste Grobhypothese: Die Bösen sind die Kapitalvertreter und die stecken hinter Röckls Tod, der ihnen irgendwie in die Quere gekommen sein muss, zum Beispiel, weil er dir gegenüber zu
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