Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
Kollegen, Kunden, Öffentlichkeit. Oder es ist nur einer: Ihr Vorgesetzter zum Beispiel. Damit das Spiel gelingt, sollten Sie Ihren Gegenspieler recht gut kennen, was bei einem Konkurrenten ohnehin immer sehr hilfreichist. "Den Materazzi" können Sie mit ihm natürlich nur machen, wenn Sie seine empfindlichen Punkte kennen und wenn Sie schon wissen, dass er gelegentlich etwas impulsiv reagiert. Besonnene Gegenspieler sind viel schwerer zu knacken, und bei Phlegmatikern ist der Materazzi völlig fehl am Platz. Aber wer befürchtet, dass ihm sein phlegmatischer Kollege auf der Karriereleiter enteilt, hat vermutlich noch ganz andere Probleme.
Das Spiel auf der Hinterbühne
Auf der Hinterbühne treffen Sie die Vorbereitungen: Sie sondieren das Gelände und fangen an, Ihren Gegenspieler dezent, aber spürbar zu piesacken, wenn es denn nötig ist. Denn das Auf-die-Nerven-Gehen dient nicht Ihrem Vergnügen, sondern einem klaren Ziel: Der Gegenspieler soll auf der Vorderbühne explodieren – mit möglichst großem Getöse.
Im Idealfall müssen Sie gar nicht viel tun, sondern nur eine günstige Gelegenheit abpassen. Wenn Ihr Gegenspieler schlecht gelaunt ins Büro kommt, seine Kollegen anblafft und seine Mitarbeiter herumscheucht, dann kann das Spiel bereits aufgehen, wenn Sie einfach Öffentlichkeit herstellen, also dafür sorgen, dass Ihr Publikum (zum Beispiel Kunde, Vorgesetzter) mitbekommt, wie überaus rücksichtslos sich Ihr Kollege an einem ganz normalen Tag aufführt. Sie müssen also nur die Hinterbühne im rechten Moment zur Vorderbühne machen, um Ihren Gegenspieler zu entlarven.
In andern Fällen – und das sind die bedenklichen, vor denen wir Sie nur warnen können – muss der Materazzi-Spieler schon entschiedener nachhelfen. Er zermürbt den anderen oder er fordert ihn heraus. Er tut Dinge, die ihm nicht zustehen, er greift in den Zuständigkeitsbereich seines Gegenspielers ein. Das alles arrangiert er so, dass es das Publikum nicht mitbekommt. Denn für die Zuschauer muss es so aussehen, als würde der Gegenspieler stark überreagieren oder fast grundlos in die Luft gehen. Wenn sie hingegen Zeuge werden, wie der Materazzi-Spieler den anderen immer mehr reizt, dann kehrt sich der Effekt um: Der Provokateur hat verloren und der Provozierte erntet sogar noch Zustimmung dafür, wenn er den Quälgeist abstraft.
Das Spiel auf der Vorderbühne
"Der Materazzi" ist ein Spiel, das ganz auf die Vorderbühne hin berechnet ist: Hier muss sich der Knalleffekt ereignen, sonst kann es für den Spieler sehr unangenehm werden. Sein Gegenspieler revanchiert sich auf der Hinterbühne und spielt vorne womöglich "Wir sind alle gute Freunde".
Doch wieso sollte der Kontrahent dem Materazzi-Spieler überhaupt den Gefallen tun, sich auf der Vorderbühne unmöglich zu machen? Dafür gibt es zwei Gründe: Entweder glaubt er, dass er sich noch auf der Hinterbühne befindet, und er bemerkt das Publikum (noch) nicht. Oder aber er verliert einfach die Beherrschung, weil der Materazzi-Spieler ihm noch das entscheidende Tröpfchen einträufelt, das seine Wut überlaufen lässt.
In aller Regel wird das Publikum dieses Tröpfchen bemerken, also die Provokation, die beim Gegenspieler die Wut entzündet. Das kostet den Materazzi-Spieler häufig viele Sympathien ("Warum macht der auch so eine pampige Bemerkung?"), auf der anderen Seite liegt darin auch ein gewisser Vorteil. Denn das Publikum muss sich einen Reim darauf machen können, was es auf der Vorderbühne zu sehen bekommt. Gibt es gar keine Erklärung, dann reagiert es womöglich nicht empört, sondern ratlos. "Warum benimmt der sich so? Was muss bloß geschehen sein, dass er derartig die Fassung verliert?" Solche Fragen sollte sich das Publikum aus Sicht des Materazzi-Spielers besser nicht stellen. Und das Beispiel des echten Materazzis zeigt, dass sie die Gunst des geneigten Publikums stark beeinträchtigen können (es rätselte herum, was der wohl Monströses gesagt haben musste, dass ein sensibler Ballstreichler wie Zidane so ausrastete).
Alle Macht beginnt mit Selbstbeherrschung
Ob das Kalkül des Machtspielers nun aufgeht oder nicht, "der Materazzi" weist uns auf etwas Wichtiges hin: Macht setzt voraus, dass wir uns halbwegs im Griff haben. Es ist ja der eigene Wille, der durchgesetzt werden soll. Dieser Wille muss sich erst bilden – in einem manchmal etwas langwierigen Prozess des Abwägens. Und dann geht es an die Durchsetzung. Wenn ich jedoch "außer mir" bin, dann bin
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